Zur Geschichte der Programmiersprache BASIC in den „langen 70er Jahren“ in Deutschland

Am 1. Mai 2024 wird die Programmiersprache BASIC 60 Jahre alt. Ursprünglich als Übungssprache für Studierende von nicht-technischen Fachrichtungen am Dartmouth College in Hanover (USA, New Hampshire) konzipiert, entwickelte sie sich rasch zu einer eigenständigen Programmiersprache, die auch zur Lösung komplexer Probleme geeignet war. Und aufgrund ihrer leichten Erlernbarkeit wurde sie zu einer gefragten Alternative zu den etablierten Programmiersprachen FORTRAN und COBOL.

Um 1970 gelangte BASIC nach Deutschland und fand auch hier eine rasche Verbreitung auf großen Zentralrechnern und Mikrocomputern. Von den Kindern und Jugendlichen wurde sie in den 80er-Jahren millionenfach für die Programmierung ihrer Homecomputer wie dem „Sinclair ZX81“ oder dem „Commodore C64“ verwandt. Und bis heute wird BASIC noch oft zur Programmierung von Büroanwendungen benutzt und zählt weiterhin zu den bekanntesten Programmiersprachen der Welt.

Im Folgenden geht es um die „langen 70er-Jahre“ der Geschichte von BASIC in Deutschland. Sie begannen mit der Einführung von BASIC um 1970 und endeten mit dem Siegeszug der Homecomputer und PCs in den 80er-Jahren. Diese Geschichte ist heute fast unbekannt, bietet aber zahlreiche Einsichten in die Geschichte der Digitalisierung in Deutschland und ist nicht minder interessant als die „bunten“ 80er Jahre mit ihren Homecomputern und PCs. Der Text basiert auf einer unlängst veröffentlichten „Kleinen Geschichte der Programmierung mit BASIC in Deutschland“ (Titel: „Von Basic zur IT-Crowd“, epubli.de) des Verfassers.

Bereits die Einführung von BASIC in Deutschland ist heute bemerkenswert, setzte sich doch kein Geringerer als der „Computer-Pionier“ Konrad Zuse (1910 – 1995) persönlich und entschieden für ihre Verwendung in der Bildungsarbeit mit jungen Menschen ein. Im Geleitwort eines ersten deutschsprachigen BASIC-Lehrbücher aus dem Jahr 1970 schrieb er:

Heute kommen wir langsam dahin, daß fast ein jeder, der in der Wirtschaft, der Technik und der Wissenschaft tätig ist, mit der elektronischen Datenverarbeitung in Berührung kommt. Man kann daher nicht früh genug mit der Ausbildung auf diesem Gebiet beginnen. Es ist zu hoffen, daß das vorliegende Buch einen wichtigen Beitrag leisten wird, um möglichst weite Kreise mit den Fragen der Programmierung vertraut zu machen. Die Zukunft gehört denjenigen jungen Menschen, welche den technischen Fortschritt unserer Zeit am besten zu nutzen verstehen.

Eine große Anzahl von Lehr- und Schulbüchern zum Thema BASIC aus den 70er-Jahren zeigt, dass viele jungen Menschen dem Wunsch Zuses folgten und mit BASIC das Programmieren erlernten.

Da die BASIC-Entwickler John G. Kemeny (1926 – 1992) und Thomas E. Kurtz (* 1928) ihr Werk bewusst nicht mit einem Copyright versehen hatten, entstanden in den Folgejehren auch in Deutschland eigene BASIC-Dialekte. Mit dem „Siemens- BASIC“ für das Rechnersystem „BSV 4004“ stand dabei im Jahr 1972 auch eine erste sehr leistungsfähige Entwicklung zur Verfügung. Sie ermöglichte die Arbeit mit Dateien, verfügte über eine Möglichkeit auftretende Fehler im Programmablauf frühzeitig „aufzufangen“ und ermöglichte im Mehrbenutzerbetrieb eine gleichzeitige Abarbeitung von vielschichtigen Prozessen der Datenverarbeitung.

Die Einsatzmöglichkeiten von BASIC waren groß. Schon nach einer kurzen Einarbeitungszeit, die nicht länger als ein Tag dauern musste, konnte jeder, der Zugang zu einem BASIC-System hatte, ohne eine zusätzliche Kommando-, Steuer- oder Job-Control-Sprache erlernen zu müssen, „drauflos programmieren“. Von Einzelnutzern am Terminal oder vor einem Mikrocomputer wurde BASIC in der Numerischen Mathematik, der Statistik, zur Simulation naturwissenschaftlicher Vorgänge oder auch für die Ermittlung der Sitzverteilung in einem politischen Gremium nach dem d’hondtschen Höchstzahlenverfahren eingesetzt. Techniker erforschten mit BASIC die „Raketenzuverlässigkeit“ und berechneten Bremswege. Dozenten konnten es für einen computerunterstützten Unterricht verwenden. Und Betriebswirtschaftler waren in der Lage, produktionswirtschaftliche Entscheidungsprobleme erstmals und einfach in Datenverarbeitungsprogramme zu fassen.

Unter anderem als „Commercial Basic“ („Heinrich Dietz Industrie Elektronik“) oder „Business BASIC“ („Nixdorf“) fand BASIC dann seit Ende der 70er-Jahre eine weite Verbreitung in den leistungsfähigen Rechnerlandschaften der Mittleren Datentechnik, die aus Zentralrechnern für den Mehrbenutzerbetrieb, Terminals und weiteren Geräten zur Ein- und Ausgabe von Daten bestanden. Vor allem mittelständische Betriebe verwendeten BASIC so für die Verarbeitung großer Datenmengen in unterschiedlichsten Aufgabenbereichen wie der Erfassung, Verwaltung und Analyse von Daten, der Preiskalkulation, der Lagerverwaltung und der Erstellung von Dokumenten. Allein „Business BASIC“ wurde zu seinen „Hochzeiten“ dem Historiker Timo Leimbach zufolge in „hunderttausend Installationen in deutschen Unternehmen“ genutzt. Es „ermöglichte Nixdorf sich auf dem im Hardwarebereich zunehmend gesättigten Markt weiterhin als Marktführer zu behaupten“ und ließ „Kunden auch über zeitweise Schwächen in der Hardware hinwegsehen“. Aus der einstigen Übungssprache BASIC war eine „KillerApp“ geworden!

In der DDR kam BASIC als eine Entwicklung für den „Robotron“-Rechner „R4000“ Mitte der 70er-Jahre an. Eine besondere Verbreitung oder Sonderstellung als Ausbildungs- oder Lehrsprache hatte es hier zunächst nicht (diese Rolle übernahm es erst mit dem Aufkommen der Homecomputer Mitte der 80er Jahre). In der technischen Literatur erscheint BASIC gleichberechtigt neben den bereits bewährten Programmiersprachen, die allerdings den Vorteil bot, schnell nutzbar zu sein.

Die erste geschlossene Darstellung BASICs erschien 1981 und richtete sich dementsprechend an Studierende verschiedenster Fachbereiche und andere „Anwender, die gegenwärtig schon Rechenleistungen in Anspruch nehmen können“. Sie ermunterte ihre Leser, aus BASIC einen „Nutzen“ zu schaffen. Eine große Zahl von Anwendungsbeispielen aus unterschiedlichsten Bereichen zeigt, dass BASIC auch in der DDR breit eingesetzt wurde. Und weitere Dialekte (u. a. für das Microcomputersystem „K1600“ und den „Amateurcomputer AC 1“) belegen eine immer umfangreicher werdende Nutzung.

Nur an den Fachbereichen für Informatik (bzw. deren Vorläufern) an den bundesdeutschen Hochschulen fristete BASIC ein Schattendasein. Für die hier nach der „Software-Krise“ Ende der 60er-Jahre entstandene „Softwaretechnik“ galt BASIC als unbrauchbar, weil es wichtige Konzepte wie die Rekursion (die in der Mathematik übliche Definition einer Funktion durch sich selbst) und die Arbeit mit strukturierten Daten (wie sie z. B. auf Lochkarten vorlagen) nicht unterstützte. Zudem wurde moniert, dass BASIC-Programme schlecht lesbar seien, weil sie nur kurze Variablennamen zuließen und schlecht zu strukturieren seien. Stattdessen setzte man auf die Sprache PASCAL.

Vor diesem Hintergrund geriet BASIC in Westdeutschland als Übungssprache auch in die Kritik. Ein durch Auftrag des Bundesministers für Forschung und Technologie eigens eingerichteter „Arbeitskreis Schulsprache“ mit dem Ziel „die Arbeiten mit einem Konzept für eine (standardisierte) neue Schulsprache abzuschließen“ hatte 1976 statt BASIC die Verwendung der Sprachen PASCAL oder ELAN empfohlen. BASIC könne man zwar „innerhalb kurzer Zeit erlernen, ebenso schnell sind aber auch die Möglichkeiten erschöpft, und man fängt mit einer anderen Sprache von vorne an. Unter diesen Aspekten sollte man dann gleich von Anfang an eine schul- und informatikadäquate Sprache wählen.

Dennoch blieb BASIC auch an den Schulen weiterhin verbreitet. In Baden-Württemberg wurde es mit Beginn des Schuljahres 1978/79 sogar zur einheitlichen Programmiersprache an den Wirtschaftsgymnasien erklärt. Die Gründe, die für den Einsatz von BASIC an den Schulen sprachen, waren vielfältig: Ein Didaktiker betonte die hohe Bedeutung BASICs im kommerziellen Bereich. Andere hatten bemerkt, dass die umfangreiche Syntax der Sprache PASCAL Schüler im Anfangsunterricht vor Probleme stellte. Und zuletzt gab es auch ganz pragmatische Argumente für BASIC: Es stand auf Computersystemen „zu einem erschwinglichen Preis“ zur Verfügung. Und sein Einsatz war auch für Lehrkräfte trotz „fehlender Vorkenntnisse und Fortbildungsmöglichkeiten“ möglich.

So blieb BASIC bis weit in die 80er-Jahre die am meisten genutzte Programmiersprache in Deutschland. Erst mit dem Aussterben der alten Zentralrechner und Mikrocomputer und dem Aufkommen der PCs verlor BASIC an Bedeutung. Denn die neuen BASIC-Dialekte für die PCs nutzten nur selten die Möglichkeiten, die die neue Hardware bot. Zwar waren sie prinzipiell in der Lage, die Dialekten aus der „Mittleren Datentechnik“ zu ersetzen. Doch tatsächlich blieben sie unausgereift. Das „GW-BASIC“ von „Microsoft“ war nicht einmal in der Lage, mehr als 64 kB Speicher zu nutzen. Und nur in Ausnahmefällen ließ es sich mit BASIC (wie mit dem „Locomotive Basic 2“ der britischen Firma „Amstrad“ oder dem deutschen „GFA-BASIC“), sinnvoll unter einer graphischen Benutzeroberfläche arbeiten. In den EDV-Abteilungen der bundesdeutschen Wirtschaft wurden die neuen BASIC-Dialekte deshalb als „Mickey-Maus“-Technologien abgetan. Und in der DDR wurde BASIC „PASCAL für die Anwendung in der Wirtschaft“ zur Seite gestellt. Und obwohl BASIC in den 80er-Jahren millionfach genutzt wurde, um die auf den privaten Gebrauch zugeschnittenen Homcomputer zu programmieren, setzte ein schleichender Bedeutungsverlust ein. Ende de 80er Jahre hatte BASIC seine Ausnahmestellung endgültig verloren. Auf dem Buchmarkt erschienen kaum mehr Publikationen zum Thema BASIC. Die neue Nummer eins war die Sprache PASCAL.

Dass die Geschichte von BASIC als breit eingesetzte und stark genutzte Programmiersprache nicht mit dem Aufkommen der PCs endete, lag allein an den neuen „Visual Basic“-Dialekten der Firma „Microsoft“. Sie ermöglichen es bis heute, schnell und einfach funktionstüchtige und ansehnliche Anwendungen zu erzeugen, die auch für unerfahrene Computeranwender leicht zu nutzen sind. Doch dies ist eine andere Geschichte …

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Zum Autor:

Olde Hansen, geb. 1972 in Berlin-Neukölln, Studium der Alten Geschichte, Informatik und Archäologie an der FU Berlin, umfangreiche Tätigkeiten in EDV und Wissenschaft.

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Weiterführender Link:

Bildschirmpräsentation „Materialien zur Geschichte des Programmierens mit BASIC in Deutschland (auf Zentralrechnern und Mikro-Computern)“ https://www.academia.edu/110104396/Materialien_zur_Geschichte_des_Programmierens_mit_BASIC_in_Deutschland_auf_Zentralrechnern_und_Mikro_Computern_

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