Auszeichnung einer abgehärmten Mutter in der Berliner Litzmannschule.
(Foto: Bundesarchiv – Bild_183-J06142 | CCBYSA 3.0)
Wie sah das Frauenbild zur Zeit des Nationalsozialismus aus? Und welchen Einfluss hatten die Kriegsjahre auf die gesellschaftliche Stellung und Wahrnehmung der Frau? Dieser Artikel beleuchtet nicht nur die (unterschiedlichen) Rollen der Frau zur Zeit des Nationalsozialismus, sondern setzt sich auch mit der Frage auseinander, welche Bedeutung die Medien bei der Aufrechterhaltung des Frauenbildes zur Zeit des NS-Regimes gespielt haben. Darüber hinaus gibt der Artikel auch Antworten auf die Fragen, warum viele Widerstandkämpferinnen bis heute in Vergessenheit geraten sind und wie die Frauen der damaligen Zeit selbst ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft wahrgenommen haben.
Der Muttertag – jedes Jahr feiern wir ihn. Gefeiert wurde dieser Tag schon zur Zeit des Nationalsozialismus. Zwar ist der Muttertag keine Erfindung des nationalsozialistischen Regimes, dennoch erklärten die Nationalsozialisten ihn 1933 zum Feiertag. Müttern, die vier Kindern oder mehr das Leben schenkten, verlieh der Staat sogar eine Auszeichnung; das sogenannte Mutterkreuz. Bis 1945 erhielten rund 5 Millionen Frauen ein solches Ehrenabzeichen
In den Jahren nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten dehnten sich zudem auch institutionelle Netzwerke zur Frauenförderung aus. Die „NS-Frauenschaft“ oder auch der „Reichsmütterdienst“ bauten seit 1934 verstärkt sogenannte Mütterschulen aus. Später band der NS-Staat Frauen verstärkt in das Berufsleben ein. Die Frau stand nun nicht mehr „nur“ am Herd. Sie arbeitete ab sofort auch im Agrar-, Industrie- und Dienstleistungssektor. Führte dies tatsächlich zur Aufwertung der Stellung der Frau? Oder ist dies zu kurz gegriffen und die Zeit der Nationalsozialisten war doch bloß eine rückwärtsgewandte Frauenhölle?
Die NS-Frauen-Warte: Das Frauenbild der Nationalsozialisten
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten erhielten Zeitungen den Status eines „Trägers für öffentliche Aufgaben“. Die Presse war nun vor allem eins: ein staatliches Erziehungsmittel. Im Vordergrund stand die Beeinflussung der Massen – im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda.
1933 erschienen noch 235 Frauenzeitschriften. Sechs Jahre später lag die Anzahl bei 169. Im Jahr 1944 sank die Zahl weiter auf magere 43. Zurückführen lässt sich dies u. a. auf die Auflösung zahlreicher Frauenvereine, die allgemein herrschende Papierknappheit und den Umstand, dass eine überschaubare Menge an Publikationen auch gleichzeitig besser zu kontrollieren war.
Eine der wichtigsten Frauenzeitschriften der Zeit war die NS-Frauen-Warte. Diese war an die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) gekoppelt und stellte die einzige „parteiamtliche“ Frauenzeitschrift dar.
Die NS-Frauen-Warte richtete sich dabei nicht nur an Parteimitglieder. Auch politisch uninteressierte Frauen sollten sich durch Haushaltstipps, Romane und den Modeteil blättern und die mehr oder weniger versteckten ideologischen Botschaften verinnerlichen.
Im Oktober 1936 zitiert die NS-Frauen-Warte Adolf Hitler. Dieses Zitat verdeutlicht das damalige Rollenverständnis und die Unterschiede zwischen Mann und Frau:
„Es gibt zwei Welten im Leben eines Volkes: Die Welt der Frau und die Welt des Mannes. Die Natur hat es richtig eingeteilt, dass sie den Mann noch vor die Familie stellt und ihm noch eine weitere Verpflichtung aufbürdet, den Schutz des Volkes, der Gesamtheit. Die Welt der Frau ist, wenn sie glücklich ist, die Familie, ihr Mann, ihre Kinder, ihr Heim. Von hier aus öffnet sich dann ihr Bild für das große Gesamte. Beide Welten zusammen ergeben eine Gemeinsamkeit, in der ein Volk zu leben und zu bestehen vermag. Wir wollen diese gemeinsame Welt der Geschlechter aufbauen, bei der jedes die Arbeit erkennt, die es nur allein tun kann und daher auch nur allein tun darf und muß.“
NS-Frauenwarte (NFW) 5 (1936 / 37), Oktober 1936, S. 265
Hitler unterscheidet hier strikt zwischen einer offenen Lebenswelt der Männer und einer geschlossenen Lebenswelt der Frauen. Der Wirkungskreis der Frauen beschränkt sich dabei ausschließlich auf das Häusliche, also auf die Familie und das Heim. Die Frau bleibt im Unsichtbaren für die Gesellschaft. Der Mann hingegen tritt ins Außen. Seine Welt ist geöffnet. Er ist der aktive Part, dem der Schutz des Volkes (im Kriegsdienst) obliegt. Selbstlos, treu, pflichtbewusst und zu jedem Opfer bereit: So sollte die deutsche Frau nach der der propagandistischen Vorstellung sein. Damit sie sich ihrer Hauptaufgabe, dem Gebären der Nachkommenschaft kümmern konnte, führten die Nationalsozialisten beispielsweise das Ehedarlehen ein.
Eine Erhöhung der Frau? Die Frau in der Rolle der Mutter im Nationalsozialismus
Die Familie war im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie die Keimzelle des Staates und der Gesellschaft. Hitler verfolgte seit seiner Machtergreifung das Ziel, eine unbesiegbare nordisch-arische Herrenrasse zu erschaffen. Körperlich eingeschränkte Menschen, die z. B. taub oder blind waren oder an angeborenen Missbildungen litten, sollten dabei für zeugungsunfähig erklärt werden. Gleiches galt auch für Menschen, die an psychischen Erkrankungen litten. Im Juli 1933 trat schließlich ein Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in Kraft. Etwa eine halbe Million Menschen – weiblich wie männlich – wurden zwangssterilisiert, also unfruchtbar gemacht. Seit 1938 war es Jüdinnen außerdem erlaubt, ohne Angabe von Gründen abzutreiben, da sie und ihr Nachwuchs in den Augen der Nationalsozialisten als minderwertig galten.
Nur „rassisch wertvolle“ Frauen, so die Nationalsozialisten, sollten dem Staat Kinder schenken und die Population des Deutschen Reiches in die Höhe schnellen lassen. Seit Oktober 1935 mussten sich heiratswillige Paare einer Gesundheitsprüfung unterziehen. Ohne ein amtliches Gesundheitszeugnis war es nicht mehr möglich zu heiraten. Dies bedeutete auch, dass nur Paare, die den Vorstellungen der Nazis entsprachen, die Ehe eingehen durften. Ein Dorn im Auge des Deutschen Staates waren vor allem Abtreibungen. Unverheiratete „wertvolle“ Frauen sollten ihre Kinder um jeden Preis zur Welt bringen und so zum Fortbestand des deutschen Staates beitragen. Um ebenjene Frauen materiell zu unterstützen, gründete der Reichführer SS Heinrich Himmler (1900-1945) im Jahr 1935 den Lebensborn e.V. Eine der Hauptaufgaben des Vereins war es, den Kinderreichtum des Staates zu unterstützen. Schätzungsweise 600.000 Schwangere nahmen jährlich die Unterstützung an. Darüber hinaus schloss der Staat die Türen zu Sexualberatungsstellen, und der Zugang zu Verhütungsmitteln wurde erschwert.
Zu alledem sorgte eine zielgerichtete Propaganda dafür, dass Frauen die ihnen angedachte Aufgabe, Kinder zu gebären, nicht aus den Augen verloren. Sie sollten den Fortbestand der arischen Rasse sichern. Im Jahr 1933 erinnerten Plakate und Broschüren Frauen an ihre Verpflichtungen:
„Ihr Mütter und ihr, die ihr Mütter sein werdet, seid Euch dessen bewusst, daß bei Euch Deutschlands Zukunft ruht, daß aus Eures Herzens Glutwellen die heilige Flammen völkischer Erneuerung emporlodern muß“.
Frevert, Frauen, S. 226.
Frauen wurden hier also eine Schlüsselposition zugedacht. Diese betonten Politiker immer wieder, indem sie deutlich machten, dass jede Gebärende über das Sein oder eben Nicht-Sein des Staates entscheiden würde. Die Mutterschaft war längst keine Privatsache mehr. Vielmehr war sie eine Art auferlegte gesellschaftliche Pflicht. Dieser sich daraus speisende Mutterkult war allgegenwärtig. Unvorstellbar groß muss auch der Druck auf Frauen (und Männer) gewesen sein, die keine Kinder bekommen konnten und so den auferlegten Pflichten nicht nachkommen konnten.
All dies führte dazu, dass der Körper der Frau vor allem unter dem Aspekt der Gebärfähigkeit in den Fokus rückte, wie ein weiteres Zitat aus der NS-Frauen-Warte aus dem Jahr 1936 verdeutlicht:
“Sport und Gymnastik ist ein Begriff geworden! Es ist die Pflicht einer jeden Frau, daß diese zwei Worte nicht nur ein Begriff bleiben, sondern auch in die Tat umgesetzt werden. Eine richtige Körperkultur, im wahrsten Sinne des Wortes, bedeutet zunächst einmal Lebenserhaltung und somit Lebensbejahung! (…) Pflege und hüte Dein heiligstes Gut, welches Du von der Natur mitbekommen hast. Vermeide alles, was der Natur widerspricht! Gesunde Frauen, gesunde Kinder, gesundes Volk!”
Beilage „Unsere Feierstunden“ der NFW 4 (1935/36), Juli 36, S. 7
Die NS-Frauenschaft und die („neue“) Frauenbewegung
Das passive Wahlrecht (Möglichkeit, in ein Amt gewählt zu werden) hoben die Nationalsozialisten für Frauen zwar nicht auf. Dennoch: Seit Juli 1933 war die NSDAP die einzig zugelassene Partei, die offen keine Kandidatinnen nominierte und sich offen als Männerpartei präsentierte. Auf die politische Bühne traten Frauen demnach nicht und verloren faktisch gesehen trotzdem ihr passives Wahlrecht. Frauen sollten sich vor allem in den angegliederten Verbänden organisieren. Im Jahr 1939 gehörten rund 12 Millionen Frauen einem dieser Verbände an – wie zum Beispiel dem „Bund Deutscher Mädel“ (BDM), dem „Deutschen Frauenwerk“ (DFW) oder der „NS-Frauenschaft“ (NSF).
Die „NS-Frauenschaft“ war eine der sechs Unterorganisationen der NSDAP. Diese war finanziell von der NSDAP abhängig. Männliche Parteileiter beriefen die Leiterinnen auf Orts-, Bezirks-, Gau- (nationalsozialistische Bezeichnung für regionale Mittelebene) oder Reichsebene. Neben dem Deutschen Frauenwerk war die NSF eine der wenigen Organisation für Frauen, die die Nationalsozialisten zuließen. Bestehende Organisationen wurden „gleichgeschaltet“. Das bedeutet, dass der Staat Einrichtungen oder Organisationen dazu zwang, sich aufzulösen oder nach den Vorstellungen des Staates einzugliedern. Der NSDAP ging es hierbei darum, die volle Kontrolle über gesellschaftliche Gruppierungen zu erlangen. Das öffentliche wie private Leben sollte den Regeln und Vorstellungen des Nationalsozialismus Folge leisten. An dieser Stelle zeigt sich besonders stark die Verschmelzung von Staat und Gesellschaft. Verschiedene Gruppierungen der damaligen Frauenbewegung galten zu jener Zeit als Erfindung von Marxisten und Juden. Der NS-Staat, und somit auch die NSF, wollte diesen gegenübertreten und sie vernichten. Schon zuvor forderten die Nationalsozialisten die damaligen Frauenorganisationen dazu auf, jüdische Mitglieder auszuschließen.
Beispiele für damalige Frauenvereine war der Deutsche Staatsbürgerinnen-Verband. Im September 1933 löste sich dieser auf. Kirchliche Frauenbünde, wie der Katholische oder Evangelische Frauenbund gliederten sich in die Kirche ein, um der Gleichschaltung zu entgehen.
Wie stand die NSF der allgemeinen Frauenbewegung gegenüber? Die NS-Frauenschaft lehnte die Ziele und Forderungen nach einer rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichberechtigung der Frau ab. Die NSF hatte den Anspruch, eine „neue Frauenbewegung“ zu bilden, die auf der Anerkennung der geschlechtlichen Unterschiede basierte („seelisches Anderssein der Frau“ – Nave-Herz, Die Geschichte der Frauenbewegung).
Zweck der Organisationen, wie der NSF, war auch hier die Verinnerlichung der Prinzipien des Nationalsozialismus. Aus emanzipatorischer Sicht ging es nicht darum, Frauen Raum einzuräumen, sondern sie alleine im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda in den „weiblichen Gebieten“ der Hauswirtschaft und Mutterschaft auszubilden. Frauenrechte und
-Interessen waren dem Gesamtinteresse des Staates untergeordnet.
Exkurs: Oft vergessen – Frauen als Widerstandskämpferinnen im Nationalsozialismus
Der Name der Widerstandskämpferin Sophie Scholl (1921-1943) ist fest mit dem weiblichen Widerstand verzahnt. Namen anderer mutiger Frauen wie die Ärztin Margarete Blank oder die Kommunistin Judith Auer sind uns weniger ein Begriff. Doch warum ist das so? Zum einen liegt dies sicherlich an der Wahrnehmung der Frau in den Nachkriegsjahren. Frauen und Widerstand sowie Frauen mit einer (politischen) Meinung: Das waren Narrative, die nicht zusammenzupassen schienen. Das Frauenbild der Nazis verblasste auch in den Folgejahren nicht: Frauen sollten immer noch vorrangig schön sein und Kinder zur Welt bringen. Ein weiterer Grund: Viele von ihnen stammten aus sozialistischen Familien oder gehörten der Sozialistischen Arbeiterpartei an. Zur Zeit des Kalten Krieges waren das in der westdeutschen Widerstandsbetrachtung Lebensläufe, die nicht gern gesehen waren. Folglich tauchen Frauen in der Geschichtsschreibung allenfalls als „Frau, Verlobte oder Freundin von“ auf, ohne dass ihre mutigen Handlungen in irgendeiner Form ausreichend gewürdigt wurden.
Umso wichtiger ist es im Heute dafür zu sorgen, dass Widerstandskämpferinnen gegen den Nationalsozialismus Erwähnung finden und aktiv erinnert werden. Dazu ist es nötig, dass die Forschung verstärkt den Fokus auf den weiblichen Widerstand richtet, Museen dieses Thema stärker aufgreifen und auch im Schulunterricht „weiblicher Widerstand“ nicht ausschließlich mit Blick auf Sophie Scholl Erwähnung findet.
„Männerarbeit“ und „Frauenarbeit“? Die Frau in der NS-Wirtschaft
Im Jahr 1936 entschied Adolf Hitler, dass Frauen mit einem Jurastudium weder Richterinnen noch Staats- oder Rechtsanwältinnen werden dürften. Nur ein Jahr später ging das Regime dazu über, Frauen aus höchsten Ämtern im öffentlichen Dienst auszuschließen. Im Schulwesen verdrängte man sie ebenfalls aus höheren Positionen.
Schon einige Jahre zuvor, im Jahr 1933, führten die Nationalsozialisten einen geschlechterspezifischen Numerus Clausus (Regelung, die bestimmt, wie viele Studierende sich für ein Studium einschreiben können) ein. Nur 10 Prozent der jährlich zugelassenen Studierenden (etwa 15.000) waren Frauen. Die NS-Politik reagierte damals nicht nur auf die Klagen der männlichen Berufsverbände, dass Frauen den Arbeitsmarkt unnötig überfüllen würden. Auch hier ist wieder die nationalsozialistische Geschlechterideologie tonangebend. Frauen sah die nationalsozialistische Gesellschaft nicht in gehobenen Positionen und als Konkurrentin zum Mann. Allenfalls in den Mütterschulen, in der Verwaltung des Reichsmütterdienstes oder in der NS-Frauenschaft sollten Frauen, die nicht vom Einkommen eines Ehemannes leben konnten, einer außerhäuslichen Beschäftigung nachgehen. Auch in staatlichen Sozial- oder Gesundheitsämtern arbeiteten Frauen als Bürokräfte, Säuglingsschwestern oder Fürsorgerinnen. Ihre Aufgabe war es, die damalige Rassen-, Körper- und Bevölkerungspolitik weiterzugeben.
Dennoch: Die volle Wirkung, Frauen von der Erwerbstätigkeit möglichst fernzuhalten, konnte die Politik nicht entfalten. Zwischen 1933 und 1939 stieg die Erwerbsquote von Frauen von 34,2 Prozent auf 36,1 Prozent. Ein Grund hierfür war, dass sowohl die nationalsozialistische Geschlechterideologie wie auch die praktische Politik nicht homogen waren. Beide waren nicht unbedingt logisch oder in sich geschlossen. So verwundert es nicht, dass das Regime selbst den politischen Kurs änderte: Heiratswilligen Frauen wurde ab 1937 ein Ehestandsdarlehen zugesprochen, ohne dass sie ihre Arbeit aufgeben mussten. Auch die geschlechterspezifische Beschränkung des Numerus Clausus lockerte das Regime nach nur zweiJahren im Jahr 1935 wieder.
Bei Ausbruch des Krieges änderte sich die Lage für Frauen noch einmal deutlich. Von einer Eindämmung der Frauenerwerbsquote konnte jetzt keine Rede mehr sein. Das Regime war nun um die Mobilisierung der weiblichen Reservearmee bemüht. Einen Zwang zur weiblichen Dienstpflicht, wie in England seit 1941, gab es jedoch nicht. Der Staat setzte auf Freiwilligkeit. In einer Rede von Adolf Hitler aus dem Jahr 1941 heißt es:
„Millionen deutscher Frauen sind auf dem Lande auf dem Felde und müssen dabei in härtester Arbeit die Männer ersetzen. Millionen deutscher Frauen und Mädchen arbeiten in Fabriken, Werkstätten und Büros und stehen auch dort ihren Mann. Es ist nicht unrecht, wenn wir verlangen, dass sich diese Millionen deutsche schaffende Volksgenossinnen noch viele Hunderttausende andere zum Vorbild nehmen.“
Bendel, Die deutsche Frau, in: Zukunft braucht Erinnerung.
Erst 1943 führte das Regime eine offizielle Meldepflicht für Frauen zwischen dem 17. und 45. Lebensjahr ein (später auf das 50. Lebensjahr angehoben). Frauen wurden auf ihre Einsatzfähigkeit überprüft; es gab jedoch zahlreiche Ausnahmebestimmungen. Dementsprechend konnten bis Ende 1943 nur knapp eine halbe Million Frauen mobil gemacht werden.
Etwa 18 Millionen Männer trugen von 1939 bis 1945 eine deutsche Uniform auf den Schlachtfeldern. Zuhause herrschte nun ein erheblicher Arbeitskräftemangel. In einem offiziellen Bilddokument „zum Kriegseinsatz unserer Frauen und Mütter“ heißt es 1941:
„Auf allen Lebensgebieten, wo es an Männern fehlt, hat die Frau den Mann zu vertreten.“ Weiter heißt es: „ (…), an den ungezählten Orten, wo wir ihr [der Frau, Anmerkung d. Autorin] nicht oder doch nicht in gleich schwerer Arbeit zu begegnen pflegten, füllt nun die Frau die Lücken, die der Krieg an der Front der Arbeit gerissen hat.“
Frevert, Frauen, S. 231.
Die Grenzen zwischen „Männer- und Frauenarbeit“ begannen aufzuweichen. Frauen arbeiteten jetzt als Bahnschaffnerinnen, Stromableserinnen oder in der Rüstungsindustrie. Sie verrichteten „Männerarbeit“. Ihre starke Marktposition ermöglichte ihnen jetzt auch, Verbesserungen durchzusetzen – zum Beispiel bei den Löhnen. Sie erhielten alsbald dieselben Löhne wie ihre männlichen Kollegen. Zudem konnten Frauen nun in höhere Gehalts- oder Leistungsgruppen aufsteigen. Wohlwissend, dass sie nach Rückkehr der Soldaten diesen wieder Platz machen sollten. Weitere Verbesserungen waren u. a. ein bezahlter Mutterschaftsurlaub von sechs Wochen – auch für Arbeiterinnen und Angestellte in der Land- und Hauswirtschaft – sowie die Erweiterung des Mutterschutzgesetzes von 1927 im Jahr 1942.
Die NS-Frauen-Warte und die weibliche Erwerbstätigkeit
Wie ging die NS-Frauen-Warte mit der vermehrten weiblichen Erwerbstätigkeit um? Interessant ist, dass die Frauen-Warte das Kriegsvokabular verstärkt auch auf die Frau anzuwenden begann. So ist beispielsweise die Rede vom „Sieg der schaffenden Arbeit“ (De Kort, Weibliche Arbeit, Auf LEO-BW) beim „Fraueneinsatz in der Kriegswirtschaft“ (De Kort, Weibliche Arbeit, auf LEO-BW). Ging es in den Zeitschriftenausgaben vor den Kriegsjahren noch um die häuslichen Tätigkeitsfelder für Frauen, traten später noch weitere Arbeitsfelder hinzu. Eine Ausgabe aus dem Jahr 1943 enthält beispielsweise einen Suchaufruf nach Frauen mit einem Führerschein. Frauen sollten als Kraftfahrerinnen im Krieg eingesetzt werden. Es wird deutlich: Die weiblichen Arbeitsfelder verschoben sich zunehmend und die Propaganda der NS-Frauen-Warte passte sich den (wirtschaftlichen) Bedürfnissen an.
Nichtsdestotrotz stieg die Arbeitsbelastung in Deutschland an. Die wöchentliche Arbeitszeit verlängerte sich und Schutzverordnungen wurden teils gelockert oder sogar aufgehoben. Zu Massenaufständen wie im Ersten Weltkrieg führte dies jedoch nicht. Das Regime bemühte sich, die „weibliche Heimatfront“ während der Kriegsjahre bei guter Laune zu halten. Dazu gehörten neben der nie völlig durchgesetzten Dienstpflicht für Frauen auch die Bemühungen um eine ausreichende Lebensmittelversorgung sowie die Förderung von Kinderhorten, um Arbeiterinnen das Arbeiten zu erleichtern. Dies ist auch unter dem Aspekt zu betrachten, dass Frauen so deutlich länger und einfacher arbeiten konnten.
Die Rolle der Frau im Nationalsozialismus – Fazit
Das Frauenbild des Nationalsozialismus speist sich vor allem aus dem zentralen Bild der Mutterschaft. Zentral ist es deshalb, da die Familie in den Augen des nationalsozialistischen Staates die Keimzelle der Nation und der Gesellschaft war. Sie stand also maßgeblich für den Fortbestand Deutschlands. Propagandistische Medien, wie die NS-Frauen-Warte, erinnerten Frauen immer wieder an diese ihnen zugedachte Pflicht. Die Frau zur Zeit des Nationalsozialismus sollte eine unterwürfige, pflichtbewusste Rolle einnehmen. In hohe (politische) Ämter stieg sie nicht auf. Ihre Einflusssphäre sollte zuhause bei ihrer Familie liegen. Frauenvereine wie die NS-Frauenschaft existierten, jedoch unterlagen sie den strengen Vorgaben des NS-Staates und waren u. a. der NSDAP untergeordnet.
Erst später, im Zuge des Krieges, veränderte sich die Rolle der Frau. Es kam ein weiteres Bild hinzu: Frauen mussten jetzt auf dem Arbeitsmarkt Männer ersetzen, welche in den Krieg zogen. Die Frau war nun Mutter und Arbeiterin zugleich. Tätigkeiten, die als „typisch männlich“ angesehen wurden, führten nun auch Frauen aus. Sie arbeiteten als Schaffnerinnen oder führten handwerkliche Tätigkeiten aus. Die Grenzen zwischen den männlichen und weiblichen Arbeitsbereichen verschwammen. Die Arbeitsbelastung stieg dabei deutlich an. Nichtsdestotrotz kam es auch zu positiven Wendungen: Frauen bekamen aufgrund ihrer wichtigen Stellung z. B. die gleichen Löhne wie ihre männlichen Kollegen. Der Staat erweiterte auch das Mutterschaftsschutzgesetz zugunsten der Frauen und versuchte, die Frauen im Arbeitsleben zu entlasten.
Dennoch: Die Rolle der Frau wurde nicht grundlegend aufgewertet. Es lassen sich demnach keine emanzipatorischen Bestrebungen aus den Handlungen des NS-Staates herauslesen. Vielmehr entstanden die Änderungen aus der Intention heraus, Frauen in die Arbeitswelt einzugliedern, um die wirtschaftliche Lage zu sichern. Als dem Mann ebenbürtig sah das NS-Regime und die damalige Gesellschaft Frauen nach wie vor nicht an.
Um die Frage zu beantworten, ob die Zeit des Nationalsozialismus ein emanzipatorischer Rückschritt war, ist es wichtig, die Zeit aus der Perspektive der damaligen Frauen zu betrachten und zu verstehen: Es ist nicht bezeugt, dass der Großteil der Frauen unzufrieden mit der Geschlechtertrennung war. Zu lange waren Frauen schon an die Tradition der Geschlechtertrennung gewöhnt. Die Haltung des NS-Staates wurde damals weder als ungewöhnlich noch als revolutionär wahrgenommen. Im Vergleich zur Weimarer Republik (1918-1933) betrachteten sie ihre Stellung und Rolle demnach gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell nicht als einen Rückschritt. Von einer Verschlechterung der Rolle der Frau lässt sich demzufolge genauso wenig sprechen wie von einer Aufwertung. Sie war eher ein Mittel zum Zweck, das der nationalsozialistische Staat für sich zu nutzen wusste.
Jill Graw studierte Geschichte und Germanistik in Münster. U.a. wirkte sie zu dieser Zeit bereits an wissenschaftlichen Artikeln, bspw. aus dem Fachbereich der Archäologie, mit. In den Folgejahren absolvierte sie diverse Praktika – bspw. im Ressort Wissen bei DER WELT – und arbeitete als Werbetexterin in einer Online-Agentur. Im Jahr 2019 absolvierte sie des Weiteren ihren Masterabschluss im Fach Germanistik. Ihr Schwerpunkt lag hierbei im Bereich der Medien-, Kultur- und Literaturwissenschaften.
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