Demokratie schafft die Grundlage für eine Vielfalt moderner politischer Ordnungen, deren gemeinsames Kennzeichen die Volkssouveränität und die Beschränkung politischer Herrschaft ist.
Teildefinition für den Begriff „Demokratie“ von der Bundeszentrale für politische Bildung.
Demokratie kennen wir im Westen als die beste und gerechteste aller Herrschaftsformen, die Funktionsweise der modernen, fortschrittlichen Staaten. Wir verbinden den Begriff mit Chancengleichheit, Mitbestimmung und einer gerechten Gesellschaft.
Dabei gelten Solon und Kleisthenes als die Urväter der Demokratie. Mit ihren Reformen ermöglichten die griechischen Politiker im 6. Jahrhundert v. Chr. erstmals in der Geschichte eine Mitbestimmung des Volkes am politischen Geschehen in ihrem Stadtstaat Athen. Bekannt ist diese erste Form der Volksherrschaft heute als die attische Demokratie.
Aber welche Institutionen gab es damals in Athen, wer durfte sich auf welche Weise beteiligen und welche demokratischen Praktiken wurden durchgeführt Wie demokratisch im heutigen Sinne dieses Wortes war die attische Demokratie also wirklich?
Das Wort „Demokratie“ kommt aus dem Griechischen, und das nicht von ungefähr. Denn das Prinzip der Beteiligung der Bevölkerung am Staatswesen hat seinen Ursprung im sechsten Jahrhundert vor Christus in Athen. Die heutige Hauptstadt Griechenlands war damals die größte Polis des antiken Griechenlands mit großem kulturellem und politischem Einfluss in der damaligen Welt. Definieren lässt sich das griechische Wort „polis“ als eine:
„Einheit von Stadt und Umland mit gemeinsamen Institutionen“ und zugleich als „Bezugspunkt kollektiver Identität“ (Geiss, S. 90).
In der historischen Forschung wird diese erste Form der Demokratie heute als „attische Demokratie“ bezeichnet, benannt nach dem attisch-delischen Seebund, einem Bündnis zwischen Athen und anderen Polis in und um die Region Attika.
Interessant ist nun natürlich zu wissen, wie ähnlich sich die Demokratien des 21. Jahrhunderts nach Christus und die attische Demokratie in Athen sind – lässt sich die heutige Definition auch auf die Volksherrschaft im antiken Griechenland anwenden?
1. Die gesellschaftliche Krise Athens im 6. Jahrhundert v. Chr. als Voraussetzung für erste demokratische Gedanken
Die Geschichte Griechenlands im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. ist geprägt von einer Vorherrschaft der wohlhabenden Bürger über die ärmere Bevölkerung, die ihren Höhepunkt schließlich zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. in dem Zustand hatte, dass immer mehr eigentlich freie Bauern in Schuldknechtschaft abdrifteten. Ackerland gehörte reichen Aristokraten und wohlhabenden Bauern. Nicht nur die ganz armen Bauern, sondern vermutlich auch jene aus dem „Mittelstand“ hatten lediglich das Recht, Land für den Eigentümer zu bebauen. Dafür mussten sie ein Sechstel ihres Ertrags abgeben, weshalb diese Bauern als „hektémoroi“ bezeichnet werden. Schon damit war ein eindeutiges Abhängigkeitsverhältnis vorhanden.
Ab der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. kam außerdem mit der Münzprägung eine einfache Form des Kapitalismus nach Athen, welcher die Lage zusätzlich verschärfte. Die Reichsten hatten nun immer mehr Möglichkeiten, ihren Reichtum auszuweiten, was sie unter anderem auch durch Investitionen in den Handel mit anderen Gebieten taten. Sie ließen billiges Getreide importieren, mit dem die einheimischen Bauern nicht konkurrieren konnten. In ihrer Existenznot blieb ihnen keine Wahl, als sich Geld von den Aristokraten zu leihen. Schon damals kannten diese das Prinzip der Verzinsung und wandten dies auch an, was jedoch dazu führte, dass die Bauern keinerlei Chance hatten, ihre Schulden wieder loszuwerden. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich selbst und ihre Arbeitskraft einzusetzen und sich in die Schuldknechtschaft zu begeben. Damit wurden ehemals freie Athener praktisch zu Sklaven.
2. Die Reformen von Solon (638 – 558 v. Chr.): Erste demokratische Prinzipien
In dieser krisenhaften Situation, die von Unruhen seitens der armen Bevölkerung geprägt war, wurde Solon im Jahr 594/3 zu einem der neun Archonten gewählt, dem damals bedeutendsten Amt. Als Amtsvorsitzender hatte er besonders viel Einfluss. Mit seiner Stellung hätte er den Anspruch auf eine autoritäre Alleinherrschaft gehabt, verzichtete jedoch darauf und entschloss sich stattdessen, die athenische Staatordnung auf eine breitere Basis zu stellen. Diese Entscheidung hielten Zeitgenossen für unverständlich und auch heute noch gilt unter Historikern Solons Machtverzicht als außergewöhnlich. Jedoch schien dies seine Methode zu sein, die „Abkehr der Athener Bevölkerung von ihrer eigenen Staatsführung“ (Haarmann, S. 175) zu vermeiden. Mit seinen Reformen, die sich mit der Freiheit, dem Gemeinwohl und der zumindest ansatzweisen politischen Mitbestimmung der Athener Bürger beschäftigten und die erste Verfassung Athens bilden, ist er als Begründer der Demokratie in die Geschichte eingegangen.
2.1 Verbot der Schuldknechtschaft
Der Schuldknechtschaft bereitete Solon ein Ende, indem er den Zugriff von Gläubigern auf die Freiheit ihrer Schuldner durch Gesetze unterband. Ehemals freie Athener, die sich verschuldet hatten und als Sklaven arbeiten mussten, waren durch Solons Reformen wieder frei. Hatte ihr Gläubiger sie ins Ausland verkauft, so wurden sie wieder zurückgekauft.
2.2 Einteilung der Bevölkerung in Vermögensklasse
Weiterhin gliederte Solon die Gesellschaften in folgende vier Einkommensklassen:
- 1. Klasse: Großgrundbesitzer (Pentakosiomedimnoi)
- 2. Klasse: Ritter (Hippeis)
- 3. Klasse: Jochbauern (Zeugiten)
- 4. Klasse: Arbeiter (Theten)
Je nachdem, welcher Klasse eine Person angehörte, definierten sich ihre politischen Rechte. Mitglieder der ersten drei Klassen durften für alle politischen Ämter kandidieren. Die ärmste Klasse freier Bürger durfte sich lediglich an der Wahl des Volksrats beteiligen, wobei manche Historiker auch der Ansicht sind, dass sie an der Volksversammlung teilnehmen durften (z. B. Günther, S. 71). Der Volksrat bestand aus 400 Mitgliedern aus den vier Phylen, in die Athen damals geografisch unterteilt war. Die Bevölkerung einer jeden Phyle wählte 100 Vertreter in diesen Rat, der nach seiner Mitgliederanzahl als Rat der 400 bezeichnet wurde.
2.3 Die Vormachtstellung der Reichen
Das wichtigste Organ im solonischen System war jedoch der Adelsrat, der sogenannte Areopag. Seine Mitglieder bestanden aus ehemaligen Archonten, die ebenfalls sehr großen Einfluss hatten. Die Vorherrschaft des Adels tastete Solon also – mag er auch als Vater der Demokratie gelten – nicht an, sondern versah das Staatswesen lediglich mit demokratischen Zügen. Der griechische Philosoph Aristoteles bringt das Prinzip dieser Aufteilung auf den Punkt:
Solon hat anscheinend dem Volk nur die allernotwendigste Gewalt gegeben, nämlich die, sich seine Regierung selbst zu wählen und sie zur Verantwortung zu ziehen – denn wenn das Volk nicht einmal diese Macht besitzt, lebt es sklavisch und ist der Verfassung feindlich -, die Wählbarkeit dagegen zu allen Ämtern beschränkte er auf die angesehenen und wohlhabenden Leute.
(Aristoteles, Politik, zitiert nach Margedant, S. 9)
3. Kleisthenes (570 – 507 v. Chr.): Einen Schritt weiter in Richtung Demokratie
Fast ein Jahrhundert später, im Jahre 508 v. Chr., gab es in Athen einen weiteren, deutlich stärkeren Demokratieschub durch Kleisthenes, nachdem nach Solons Reformen trotzdem wieder eine Periode der Tyrannenherrschaft angebrochen war. Die Herrscher waren damals Peisistratos und seine Söhne, die zunächst sehr volksfreundlich, gegen Ende ihrer Regierungszeit aber immer repressiver regiert hatten. Auch Kleisthenes hatte, als er seine Gesetze vorbrachte, die Stellung des obersten Archonten inne. Er baute seine Reformen zwar auf denen Solons auf, veränderte aber die Funktionen der einzelnen Institutionen und ordnete außerdem die Struktur des Stadtstaats Athen vollkommen neu.
3.1 Die Neuordnung der Polis Athen
Die kleinsten Einheiten im Staate des Kleisthenes waren die Demen, vergleichbar mit heutigen Gemeinden. Ob sie erst durch Kleisthenes entwickelt worden waren oder durch ihn nur größere Bedeutung erlangten, ist ein Streitpunkt der historischen Forschung.
Da sich Demen selbst verwalten sollten, gab es pro Demos ein Oberhaupt, einen sogenannten Demarchos. Dieses Amt ist mit dem heutigen Bürgermeister vergleichbar. Wie viele Demen es in Athen insgesamt gab, ist nicht ganz geklärt. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass Kleisthenes 100 Demen bestimmte und sich die Anzahl im Laufe der Jahre durch Abspaltungen und Entstehung neuer Agrarflächen auf zunächst 139 und später 174 vergrößert hatte. Mehrere Demen zusammen bildeten eine Phyle. Diese Verwaltungsbezirke hatte es zwar schon vorher gegeben, anstatt in vier, teilte Kleisthenes Athen nun aber in zehn Phylen auf. Jede Phyle war wiederum in drei Bereiche gegliedert, genannt Trittyen: Die Stadt, das Binnenland und die Küste. Entsprechend waren die Phylen keine regionalen Einheiten.
Sterling liefert eine Erklärung für diese Mischung der Bevölkerung:
Da jeder Verband jetzt Großgrundbesitzer und Kleinbauern, Lohnarbeiter, Kaufleute und Gewerbetreibende umfasste und da die Mitglieder über ganz Attika verstreut lebten, konnten einseitige Motive örtlicher, familiärer und wirtschaftlicher Art nur wenig die Wahlergebnisse beeinflussen
(zitiert nach Margedant, S. 14).
3.2 Politische Beteiligung im Sinne des Kleisthenes
Der solonische Rat der 400 wuchs bei Kleisthenes zu einem Rat der 500, der sich aus Mitgliedern aus allen zehn Phylen zusammensetzte. Jede Phyle schickte 50 Vertreter. Wie viele Kandidaten ein Demos für seine Phyle schicken konnte, war abhängig von seiner Einwohnerzahl, durchschnittlich waren es aber drei bis vier Personen pro Demos.
Der Rat der 500 bestand ein Jahr lang, dann wurden die Vertreter ausgetauscht, was zur Folge hatte, dass fast jeder infrage kommende Bürger im Laufe seines Lebens Ratsmitglied war. Es gab eine geschäftsführende Phyle, welche alle 36 Tage wechselte, sodass jede Phyle einmal diese Position innehatte. Der Rat der 500 hatte die Aufgabe, vorgeschlagene Gesetzesentwürfe durchzusehen, um die relevanten der Volksversammlung zur Verabschiedung oder Ablehnung vorzulegen. In dieser Funktion vergleicht Haarmann den Rat mit den heutigen Parlamentsausschüssen (S. 203). Außerdem kümmerte er sich um öffentliche Bauvorhaben, um die Staatsfinanzen und führte Verhandlungen mit ausländischen Vertretern über internationale Angelegenheiten.
Auf diese Weise wurde der Rat der 500 zum mächtigsten demokratischen Amt, denn er entschied, mit welchen gesetzlichen Themen sich die Volksversammlung, bei Kleisthenes die Legislative, überhaupt auseinandersetzte. Dadurch, dass der Rat jedes Jahr neu formiert wurde und fast jeder zur aktiven Politik berechtigte Bürger einmal drankam, bewirkte der Rat ein breites politisches Wissen in der gesamten Bevölkerung. Schließlich gingen die ehemaligen Ratsmitglieder nach ihrer Amtszeit wieder nach Hause und erzählten den Menschen in ihrer Umgebung, was politisch relevant war.
3.3 Kleisthenes‘ Prinzipien
Kleisthenes‘ Reformen fußten auf den drei demokratischen Prinzipien:
- isegoria (das Recht, über politische Angelegenheiten zu reden)
- isonomia (die Gleichheit vor dem Gesetz)
- isopoliteia (Gleichheit im politischen Sinne: Bei der Wahl der Volksversammlung und Chancengleichheit bei der Bekleidung politischer Ämter)
Die Übersetzungen dieser Begriffe sind in der Literatur ähnlich, aber nicht einheitlich. Die hier verwendete Übersetzung orientiert sich an Haarmann (S. 185).
3.4 Grenzen der Demokratie bei Kleisthenes
Die ärmste Schicht, die Theten, hatten auch noch bei Kleisthenes kaum eine Möglichkeit, sich aktiv politisch zu engagieren, auch wenn sie offiziell berechtigt waren, in den Rat einzuziehen. Aber wer als Kandidat für eine Phyle aufgestellt wurde, entschied der Demarch eines Demos, und dieser berücksichtigte nur die oberen sozialen Schichten.
4. Der Vergleich zwischen Solon und Kleisthenes: Machtverschiebung von der reichen Elite hin zur Masse
Wie oben deutlich geworden ist, gab es in den Staatssystemen Solons und Kleisthenes‘ dieselben Institutionen, durch eine Verschiebung der Funktionen durch Kleisthenes kam es jedoch auch zu einer starken Machtverschiebung weg von der ersten Vermögensklasse hin zur breiteren Masse der Bürger Athens.
Während bei Solon der Areopag das wichtigste Amt war, das alle anderen Institutionen überwachte, und der Rat sowie die Volksversammlung lediglich begleitende Funktionen innehatten, wertete Kleisthenes die Bedeutung dieser beiden Volksämter auf. Sie wurden zu den bedeutendsten exekutiven und legislativen Organen. Die Befugnisse des Areopag wurden auf die Überprüfung der Rechenschaftsberichte von aus ihren Ämtern scheidenden Beamten und die Gerichtsbarkeit über Gewaltverbrechen beschnitten.
Einige Jahre nach den Reformen des Kleisthenes gab es außerdem eine Veränderungen im Amt des Archonats, welche die Macht der Reichen noch stärker beschnitt, denn ab 487/6 bekamen auch Männer aus der zweiten Gesellschaftsschicht, die hippeis, die Möglichkeit, Archont zu werden. Einige Jahre später wurde dies auf die dritte Schicht, die zeugitai, ausgeweitet.
5. Angewandte Demokratie: Ostrakismos – Das Scherbengericht
Da es kurz nach seinen Reformen zum ersten Mal durchgeführt wurde, wird Kleisthenes häufig die Erfindung des Ostrakismos zugesprochen, ins Deutsche übersetzbar als „Scherbengericht“. Ob jedoch tatsächlich er selbst dieses Verfahren eingeführt hat, ist nicht sicher.
Beim Scherbengericht ging es darum, die demokratische Machtverteilung zu bewahren und Athen nicht in die Gefahr einer neuen Tyrannenherrschaft zu bringen. Die Athener Bürger konnten Männer, denen sie ein Streben nach einer Tyrannei unterstellten, ins Exil verbannen. Die Durchführung eines Ostrakismos funktionierte folgendermaßen: Einmal pro Jahr stimmte die Volksversammlung darüber ab, ob es ein Scherbengericht geben sollte. War eine einfache Mehrheit dafür, so durften alle wahlberechtigten Bürger mitentscheiden, wen die Verbannung treffen sollte.
In jeder Phyle gab es die Möglichkeit zu wählen, indem man einen Namen auf eine Scherbe schrieb und diese an einer Sammelstelle abgab. Überwacht wurde der Ablauf vom Areopag und den Mitgliedern des Rates. Damit die Abstimmung gültig war, mussten mindestens 6000 Scherben eingesammelt werden. War diese Bedingung erfüllt, so wurden die Scherben nach Namen sortiert. Der Mann, dessen Name am häufigsten zu lesen war, musste innerhalb der nächsten zehn Tage die Stadt für zehn Jahre verlassen. Enteignet wurde er jedoch nicht, und bei seiner Rückkehr sollte er auch seine Bürgerrechte zurückbekommen.
Dieses Vorgehen wirkt aus heutiger Sicht bedenklich, da die Ausgewiesenen keine Möglichkeit hatten, gegen ihre Verbannung Einspruch zu erheben, in dem Fall also keinerlei Rechtsschutz hatten und der Entscheidung vollkommen ausgeliefert waren. Des Weiteren war der Ostrakismos aufgrund der hohen Analphabetenrate unter den Bürgern sehr anfällig für Betrug. Archäologen fanden viele Scherben, die mit derselben Handschrift beschrieben waren. Die des Schreibens mächtigen Männer hatten so die Gelegenheit, andere Namen aufzuschreiben als sie jenen versprachen, die sie um das Beschriften ihrer Scherbe gebeten hatten.
6. Wie demokratisch war die attische Demokratie?
Bei aller Anerkennung der demokratischen Prinzipien darf nie vergessen werden, dass die attische Demokratie eine Demokratie für die Bürger Athens war. Nur für sie galten isegoria, isopoliteia und isonomia. Und Bürger waren männlich, frei und Athener.
Frauen, Sklaven und Ausländer waren von der Politik ausgenommen und dies war eine Selbstverständlichkeit, so wie heute die Gleichheit der Menschen – zumindest in großen Teilen der Welt – selbstverständlich ist. Es gibt, so die Feststellung Haarmanns,
[es gibt] in den antiken Quellen keine Hinweise darauf, dass sich Philosophen oder Literaten der Frage der Menschenrechte angenommen hätten.
Haarmanns, (S. 237)
Die Schicksalsgöttinnen entschieden, ob jemand als Mann oder als Frau, als Freier oder als Unfreier oder als Athener oder Nicht-Athener geboren wurde und göttliche Entscheidungen hinterfragte man nicht. Die athenischen Bürger seien sogar der Meinung gewesen,
da(ss) es infolge der inferioren Natur des Sklaven in seinem eigenen Interesse lag, als Sklave behandelt zu werden.
(George Thompson, zitiert nach Margedant, S. 27)
Auch ist wichtig zu betonen, dass sowohl bei Solon als auch bei Kleisthenes die Möglichkeit zur aktiven politischen Beteiligung abhängig vom Einkommen war. Theten, also Geringverdiener, bekamen erst im 4. Jahrhundert v. Chr. eine realistische Chance, sich aktiv an der attischen Demokratie zu beteiligen.
Wer jedoch ein Athener Bürger war und Geld hatte, bestimmte die politischen Geschehnisse in Athen direkt mit, indem er als Mitglied des Rates oder der Volksversammlung Gesetze mitbeschloss, Kontakte zum Ausland hielt, die Gerichtsbeschlüsse und Ämter kontrollierte und die Chance hatte, fast jedes Amt zu bekleiden. Alle Gewalten – die Exekutive, die Legislative und die Judikative, lagen in der Hand des Volkes und waren somit auf tausende Menschen verteilt.
Somit entspricht die attische Demokratie, die von den Reformen Solons im Jahr 594/3 bis 322 v. Chr. bestand, als Athen vom Makedonischen Reich erobert worden ist, durchaus dem heutigen politischen Verständnis von Demokratie, das Volk hatte sogar viel direkteren Einfluss auf das politische Geschehen als es in der typischen westlichen Demokratie heute der Fall ist. Was jedoch die Gleichheit der Menschen und Menschenrechte angeht – grundlegende Inhalte heutiger demokratischer Verfassungen – so wirkt die attische Demokratie aus Sicht des 21. Jahrhunderts elitär und ungerecht.
Elsa Stocker studierte an der LMU München Geschichte, Germanistik und Kommunikationswissenschaften. In den Jahren 2012 und 2014 absolvierte sie ihre zwei Bachelorabschlüsse. Sie lebt mit Ihrer Familie im Süden von Bayern und arbeitet freiberuflich als Texterin, Journalistin und Musiklehrerin.
Literatur und Auswahlbibliographie
- Haarmann, Harald: Mythos Demokratie: Antike Herrschaftsmodelle im Spannungsfeld von Egalitätsprinzip und Eliteprinzip. 2013
- Günther, Linda-Marie: Griechische Antike. 2008.
- Margedant, Udo: Die Entwicklung zur attischen Demokratie. Reihe: Themen und Probleme der Geschichte. 1973
- Geiss, Imanuel: Geschichte im Überblick. Daten, Fakten und Zusammenhänge der Weltgeschichte. 2007