„Downton Abbey ist hervorragend inszenierte, authentische Unterhaltung für Freunde britischer Adelsgeschichten“ (Jan Schlüter, Quotenmeter.de). Warum dies so ist, zeigt die folgende Rezension über die 1. Staffel von Downton Abbey auf dem Geschichte-Lernen.net Blog. Sowohl für Geschichtsinteressierte als auch für Historiker kann die Serie interessant sein, da sie sich (genau wie diese Rezension) mit der historischen Situation Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigt.
Ein Beitrag von David Schmalenstroer
England 1912: In dem Anwesen Downton Abbey sitzt die adelige Familie gerade beim Frühstück, als eine schockierende Nachricht eintrifft: In der Nacht ist die RMS Titanic, eines der größten Passagierschiffe jener Zeit, gesunken. Diese Nachricht soll das ganze Leben der Bewohner von Downton Abbey verändern. Die Szene bildet den Ausgangspunkt für eine der beliebtesten britischen Drama-Serien des Jahres 2011, die sowohl bei der professionellen Kritik, als auch beim Zuschauer gute Bewertungen einsammeln konnte. Darin geht es um das Anwesen Downton Abbey, um die adelige Familie wie auch um die Dienerschaft. Einerseits sind der Zuschauer dabei, während der Earl sich um einen Erben bemüht, andererseits erlebt er die Intrigen der Dienerschaft mit. Es lohnt sich also, dieser Serie die Chance zu einer näheren Betrachtung zu geben.
Der Untergang der Titanic – Ende eines Ozeanriesens, Anfang einer TV-Serie
Den Ausgangspunkt bildet, wie schon erwähnt, der Untergang der Titanic im Jahr 1912. Mit auf dem Schiff ist der Erbe des Titels und der Grafschaft Downton mitsamt dem Anwesen Downton Abbey gewesen. Durch seinen Tod steht die Familie Crawley vor vielen Schwierigkeiten. Denn Robert (Hugh Bonneville) und Cora (Elizabeth McGovern) Crawley, Earl und Countess of Grantham, haben „nur“ drei Töchter: Lady Mary, Lady Edith und Lady Sybil. Diese haben nicht das Recht, das Erbe anzutreten, und somit muss ein weit entfernter männlicher Verwandter nach Downton beordert werden: Matthew Crawley (Dan Stevens). Doch da trifft dann schon der erste Schreck die adlige Familie: Matthew ist Rechtsanwalt und damit unter der Würde einer so angesehenen Familie. Besonders die alte Violet Crawley (Maggie Smith), Dowager Countess von Grantham und extrem konservativ eingestellt, hegt Misstrauen gegen ihn. Aber auch die Töchter sorgen für viel Abwechslung: Die Älteste, Mary, gibt sich zuerst unterkühlt. Sie kann sich überhaupt nicht vorstellen Matthew zu heiraten, obwohl sie dadurch in Downton bleiben könnte. Die mittlere Tochter Edith hat gar kein Glück mit Männern und intrigiert munter gegen Mary, die anscheinend jeden Mann bekommen kann. Nur die jüngste Tochter Sybil scheint sich gar nicht mit Intrigen aufzuhalten. Sie ist die moderne unter den Töchtern und trägt sogar Hosenkleider. Ein Skandal! Auch die Reibereien zwischen Violet und Cora sowie zwischen Violet und der Mutter von Matthew sind äußerst amüsant. „Ich werde das jetzt mal als Kompliment werten“ – „Dann habe ich das wohl falsch gesagt.“ Oder auch Violets Meinung zum Telefon: „Ist das ein Instrument zur Kommunikation oder zur Folter?“
Dower House, Familie Crawley und ihre Dienerschaft
Doch die Familie Crawley steht nicht allein im Mittelpunkt. Auch ihre Dienerschaft spielt eine große Rolle. Besonders die Beziehungen, die diese zu ihren Arbeitgebern aufbauen, sind interessant. Inwiefern fühlt der Earl eine Verpflichtung gegenüber einem alten Armeekameraden, sodass er ihn trotz eines kaputten Beines als seinen Kammerdiener einstellt? Was denken die Diener über die ganzen Reichtümer, die sie umgeben, die aber nicht ihnen gehören? Mit den Intrigen, die gesponnen werden, den Zwängen, denen auch die Dienerschaft ausgesetzt ist, und der sehr strengen Hierarchie unter dem Butler Carson kommt alles sehr überzeugend rüber. Doch auch unter den Dienern gibt es zwei Parteien. Auf der einen Seite Thomas und O’Brien, die scheinheilig, intrigant und sehr ehrgeizig sind, auf der anderen Seite stehen Bates (der Kammerdiener mit dem kaputten Bein), Anna und die Kammermädchen. Somit gibt es sowohl diese Kluft zwischen den Bediensteten als auch die zwischen den sozialen Schichten. Besonders beeindruckend ist, dass die Streitereien oft auch mit dem Wissen der Diener über die Familie ausgetragen werden. So profilieren sich die Diener mit dem Wissen aus vertraulichen Gesprächen mit der Familie und versuchen sich so gegenseitig zu schaden. „Die Familie betrachtet die Bediensteten nicht als Fremde und umgekehrt. Vielmehr hat Carson, der Butler, Robert, also Lord Grantham, vermutlich schon als kleinen Jungen gekannt. Vielleicht haben die Töchter des Hauses als Kinder in der Küche gespielt, und Carson hat eine von ihnen auf die Schultern genommen. Diese menschliche Verbindung war also da, trotz der unterschiedlichen Lebensweisen. Die Leute in diesem Haus fühlen sich einander verbunden“ (Alistair Bruce, historischer Berater). Obwohl sich Diener und Adlige so nahe sind, bemerkt man aber doch, dass sie eigentlich in zwei verschiedenen Welten leben. Auch Mr. Bates (einer der Diener) sagt schon, dass sie von all diesen teuren Sachen umgeben seien, diese ihnen jedoch nie gehören würden.
Highclere Castle südlich von London: Opulent, aber manchmal langweilig
Gedreht wird Downton Abbey zum Teil auf Highclere Castle. Dies ist ein Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert, das im Südwesten von London liegt. Die wunderschöne Landschaft um das Herrenhaus und die Innenausstattung harmonieren perfekt mit der erzählten Geschichte. Dies geht soweit, dass dieses Haus von den Regisseuren sogar als weiterer Charakter bezeichnet wird. Julian Fellowes, der Drehbuchautor, sagt über Highclere Castle: „Für mich ist Highclere ein einzigartiges architektonisches Statement, und es verrät viel über das Selbstbewusstsein der Menschen am Ende der viktorianischen Ära und in der Blütezeit des Empire.“ Durch den extra angestellten Historiker wird historische Authentizität gewährleistet. Dies geht von der Auswahl der Kleider und Anzüge über das korrekte Verhalten der Diener beim Servieren der Speisen bis hin zur gewählten Ausdrucksweise der Figuren. Ebenso ist die Auswahl der Musik meiner Meinung nach genau richtig für die Zeit.
Thematisiert wird in der Staffel die Langeweile, mit der sich die adlige Bevölkerung und speziell die jungen Frauen auseinandersetzen müssen. Aber auch die fortschreitende Technologisierung und die Veränderung der Gesellschaft vor dem 1. Weltkrieg nehmen einen großen Teil ein. So beschäftigt man sich z.B. mit der Frage, ob Diener nach Höherem streben dürfen, als ihrem Stand entspricht. Gibt es überhaupt eine Arbeit, die höher angesehen ist als die, in einem so großen Anwesen arbeiten zu dürfen? Darf eine Lady einen Liebhaber haben? Allein schon diese kleine Auswahl an Thematiken, mit der sich die Staffel befasst und über die man normalerweise gar nicht nachdenkt, sind ein guter Hinweis für die hohe Qualität der Staffel.
Downtown Abbey für Historiker (!?)
„Downton Abbey ist ein Mikrokosmos, der die Welt im Allgemeinen widerspiegelt. Es gibt dort eine eigene funktionierende Gesellschaft mit ihren eigenen, internen Mechanismen. Sie musste auch funktionieren. Es ging nicht um Herren und Sklaven, sondern es war eine Gesellschaftsordnung, in der alle aufeinander angewiesen waren und einander respektierten. Sonst wäre das System zusammengebrochen“ (Hugh Bonneville). Genau dieser Mikrokosmos wird in der ersten Staffel von Downton Abbey sehr gut dargestellt. Gerade auch für Historiker kann diese Serie interessant sein, da sie sehr gut recherchiert wurde und die Lebensweise der englischen Adligen detailliert darstellt. Doch es bleibt wie immer eine Frage des eigenen Geschmacks, ob man eine Drama Serie, die am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts spielt, mag oder nicht. Meiner Meinung nach ist es aber eine wirklich sehr gute Serie, und es lohnt sich auch, die nachfolgenden Staffeln einmal anzuschauen.
Im deutschen Free-TV wurde die Serie Downtown Abbey in den vergangenen Jahren vom ZDF ausgestrahlt. Mit der aktuellen Staffel (Nummer fünf) ist die Serie allerdings nur im Pay-TV auf Sky zu sehen. Auch einige Online-Portale wie Videoload bieten die Folgen kostenpflichtig zum Stream on Demand an. Natürlich gibt es die Serie auch auf DVD zu kaufen*. Die BBC hat angekündigt, dass die sechste Staffel, die gerade gedreht wird, die letzte der Erfolgsserie sein wird.
Diese Rezension wurde von David Schmalenstroer – Geschichtsstudent der LMU München – verfasst und im Rahmen der Kooperation von Nomen Nominandum auf dem Blog von Geschichte-Lernen.net veröffentlicht.