Das ausgedehnte Territorium des Freistaats Preußen innerhalb der Reichsgrenzen zu Zeiten der ersten deutschen Republik, der Weimarer Republik.
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Wann endete der Staat Preußen? Darauf finden sich nur kurz gegriffene Antworten. Sie sind sich größtenteils darin einig, dass Preußen mit dem „Preußenschlag“ der Reichsregierung 1932 sein Ende fand, und die formelle Auflösung durch die Alliierten 1947 nur noch vollzog, was bereits Tatsache gewesen sei. Einige wenige Interpretationen gehen jedoch davon aus, Preußen sei mit der Reichsgründung 1871 oder der Revolution nach dem Ersten Weltkrieg 1918/1919 untergegangen. Es ist zutreffend, das Ende im Zeitraum 1932 bis 1947 zu verorten. Das muss aber detailliert geschehen. Daraus ergibt sich, dass Preußen weder 1932 bereits ausgelöscht war, noch dass 1947 nur ein symbolischer Akt stattfand. Die einzelnen Schritte dieses Auflösungsprozesses erstreckten sich nämlich auf 15 Jahre, in denen Preußen als Staat, Land oder Gebietskörperschaft einer Aushöhlung und einem Auseinanderfallen unterlag.
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Es ist unbestritten, dass 1932 ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte Preußens ist. Aber 1932 war nicht das Ende. Es war nur der Anfang von einem Ende. Auch 1947 war kein bloß formaler Akt. Es war vielmehr ein unmissverständlicher Schlussstrich.
1. „Preußenschlag“ in der Weimarer Republik 1932
Der erste Schritt zur Auflösung Preußens fand in der Weimarer Republik statt. Dieser Schritt wird meistens schon als das Ende jeder Staatlichkeit Preußens gesehen. Trotz des „Preußenschlags“ existierte aber ein Staat Preußen weiter. Was war dieser erste Schritt, sozusagen der Anfang vom Ende Preußens? Es muss hier nicht der gesamte „Preußenschlag“ erklärt werden; es geht eher um die Frage, inwiefern dieser ein Auftakt war. Deshalb seien die Ereignisse nur kurz erwähnt: Bis zur Landtagswahl vom April 1932 konnte sich in Preußen eine demokratische Regierung unter der „Preußenkoalition“ aus Sozialdemokraten, Linksliberalen und Zentrum sowie zeitweise den Nationalliberalen halten. 1932 verlor diese ihre Mehrheit, wobei NSDAP und KPD eine Sperrmehrheit erlangten.
Landtag und Landesregierung wurden faktisch blockiert. Dennoch gab es einen starken Kontrast zwischen der demokratischen Landesregierung in Preußen und der Präsidialkabinette auf Reichsebene, die seit 1930 auf „Notverordnungen“ gestützt am Reichstag vorbei regierten und die Weimarer Republik aushöhlten. Eine autoritäre Landesregierung kam in Preußen (trotz Drängens der Reichsebene) nicht zustande. Diese Patt-Situation hielt drei Monate an. Der Reichskanzler Franz von Papen entschied sich schließlich dazu, per Notverordnungsrecht die Landesregierung abzusetzen, und sich selbst vom Reichspräsidenten als Reichskommissar Preußens (also als faktischen Ministerpräsidenten) einsetzen zu lassen. So sollte einerseits die Machtbasis der konservativen Reichsregierung um das größte und einflussreichste Land des Reiches erweitert werden. Andererseits sollte damit der Dualismus Reich-Preußen beseitigt und endgültig zugunsten des Reiches entschieden werden.
Vordergründig wurde zur Rechtfertigung auf die innerpreußische Blockade in der Landespolitik verwiesen. Als konkreter Anlass wurde der Gewaltausbruch des „Altonaer Blutsonntag“ genutzt, bei dem Nationalsozialisten durch kommunistisch dominierte Straßen marschierten, beschossen wurden und die Polizei hiernach mit großer Härte gegen die Kommunisten vorging. Mit der Begründung, die Landesregierung könne die öffentliche Sicherheit und Ordnung in ihrem Land nicht sicherstellen, wurde von Papen durch den Reichspräsidenten am 20. Juli als Reichskommissar für Preußen eingesetzt. Er sollte die Landesregierung formal absetzen und eine kommissarische einsetzen. Die Landesregierung protestierte zwar verbal, nicht aber mit einem Aufstand oder ähnlichem. Sie suchte die Entscheidung vor dem Staatsgerichtshof, bis zur Entscheidung im Oktober konnte von Papen aber schalten und walten. Widerstand wäre auch utopisch gewesen: Ein Generalstreik während der bestehenden Wirtschaftskrise hätte einfach keinen Erfolg gehabt. Bei den Millionen Erwerbslosen hätte es jederzeit Arbeitskräfte gegeben, die die Plätze von Streikenden einnehmen könnten. Auch ein gewalttätiger Widerstand der preußischen Polizei wäre gegen Reichswehr und etwaige andere Landespolizeien aussichtslos gewesen, wenn sie denn überhaupt für die Republik gekämpft hätten – zumal unklar war, wie stark die Einmischung der paramilitärischen Organisationen der demokratischen Parteien, der Nationalsozialisten, der Kommunisten und der Deutschnationalen gewesen wäre, und wohin sie geführt hätte. Schlimmstenfalls hätte es einen Bürgerkrieg gegeben, in den sich wohl auch noch Polen und Frankreich eingeschaltet hätten.
Die kommissarischen Landesminister stammten größtenteils aus den höheren Hierarchieebenen der Ministerien und waren fachlich sehr geeignet. Sie waren keine Parteipolitiker, sondern Verwaltungsexperten. Zu diesem Zeitpunkt gab es zudem noch keine „Verschmelzung“ von Reichs- und Landesministerien. Auch Personalunionen lagen bis auf von Papen als Reichskanzler und Reichskommissar als faktischen Ministerpräsidenten nicht vor. Die Verreichlichung der Landesministerien war nur in seiner Person feststellbar. In der zweiten kommissarischen Landesregierung nach dem Urteil des Staatsgerichtshofes wurde der neue kommissarische Landesfinanzminister zugleich Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Auch das Landwirtschaftsressort erhielt nun eine engere Bindung an die Reichsregierung, da dessen neuer kommissarischer Inhaber Reichsminister für Landwirtschaft war. Eine umfassende Verreichlichung lag aber nicht vor – Preußen blieb ein Staat und ging nicht im Reich auf.
Dennoch war der „Preußenschlag“ darin erfolgreich, den Dualismus Reich-Preußen abzuschaffen, und das Land Preußen der Führung des Reiches zu unterwerfen. Der Dualismus war nicht unkompliziert gewesen, zumal in der Zeit der Weimarer Republik die meiste Zeit über einander entgegengesetzte Regierungsbündnisse auf Reichs- und Landesebene Preußens bestanden: „[s]o gab es in Berlin zwei Zentralen, eine für fünf Fünftel, eine für drei Fünftel [des Reichsgebiets].“ (Ludwig Biewer) Die Beseitigung des Dualismus hatte aber nicht „nur“ verwaltungstechnische Ergebnisse, sondern auch politische. Anschaulich kommen diese in der Personalpolitik zum Ausdruck, als von Papen schon am Tag nach dem „Preußenschlag“ begann, Inhaber von Schlüsselpositionen wie den Ober-, Regierungs- und Polizeipräsidenten auszutauschen. Diese waren in der Regel von der „Preußenkoalition“ eingesetzt worden und oft parteipolitisch an sie gebunden. Sozialdemokraten, Zentrum, Links- und Nationalliberale verloren damit zentrale Machtpositionen in Preußen.
Der Staatsgerichtshof entschied im Oktober nach drei Monaten zweideutig: Das Vorgehen war verfassungsgemäß, allerdings hätte die reguläre Landesregierung trotz kommissarischer Landesregierung weiter ihre Rechte ausüben dürfen, also eine Amtsführung der alten Regierung bei „überwachender“ kommissarischer Regierung. Oder wie es Manfred Schlenke formulierte: „De facto änderte sich also nichts: die Regierung Braun blieb im Amt, aber ohne reale Macht.“ Die Reichsebene (ab dem 30. Januar 1933 mit von Papen als Vizekanzler und Adolf Hitler als Kanzler) setzte sich darüber hinweg und besserte mit einer Notverordnung im Februar 1933 nach. Sie begründete die Absetzung der regulären Regierung jetzt damit, dass sie die ihr laut Urteil zustehenden Pflichten verletzt habe, da die Blockade zwischen Parlament und Landesregierung immer noch anhielt. Deshalb würden die verbliebenen Rechte dem Reichskommissar übertragen. Wenige Monate später erfolgten mit der „Gleichschaltung“ der Länder weitere Schritte, die ein Gegensteuern der alten Landesregierung unmöglich gemacht hätten – wenn ihre Mitglieder nicht sowieso von den Nationalsozialisten seit Januar 1933 verfolgt worden wären.
Der „Preußenschlag“ war also kein Rundumschlag. Auch wenn die Verwaltungsspitzen ersetzt wurden, bestand das Land fort. Auch die Kommissare verrichteten innerhalb ihrer Ämter ihre landespolitische Arbeit. Daran änderte sich nichts. Viele ältere wie neuere Analysen des „Preußenschlags“ greifen zu kurz, wenn sie ihn als Ende Preußens bezeichnen. Die preußische Existenz erlebte bereits vor 1932 viele Brüche, aber Preußen selbst blieb nicht nur dem Namen nach bestehen. Der preußische Staatsverband, seine Verwaltung und die Bevölkerung blieben von dem „Preußenschlag“ unangetastet. Dass Preußens Spitze nun von der Reichsspitze geleitet wurde (wie auch im Kaiserreich) ändert nichts an der Fortexistenz Preußens. Die Institutionen wirkten weiter, wenngleich die Staatsspitze nun in der Hand der Reichsspitze lag.
Über andere Länder des Reiches, die später „gleichgeschaltet“ wurden, wurde nicht geurteilt, dass die Existenz ihrer Landschaften, Regionen oder Staatsverbände damit beendet worden sei. Hamburg blieb Hamburg, Bayern blieb Bayern, auch wenn sie im „NS-Reich“ noch enger an die Reichsspitze gerückt wurden, als Preußen unter von Papen in der Weimarer Republik. Dass Preußen oft als 1932 beendet betrachtet wird, hat wohl zwei Gründe. Erstens spielt die (unterbewusste) rückschauende Sicht eine Rolle. Die meisten Länder, die ab 1932/1933 „gleichgeschaltet“ waren, wurden nach 1945 als eigenstaatliche Gebilde wiederaufgerichtet, oder aber zumindest mit anderen dem Namen nach zusammengelegt. Dort ließ sich also eine gewisse Kontinuität feststellen. Preußen aber wurde 1945/1946 territorial stark verringert und 1947 ersatzlos – also auch ohne namentliche Weiterexistenz – aufgelöst. Hamburger waren auch nach 1945 Hamburger, aus Preußen wurden aber Pommern, Berliner, Schleswig-Holsteiner und weitere. Zweitens war Preußen bereits in der Weimarer Republik „gleichgeschaltet“ worden, während die anderen Länder erst im „NS-Reich“ folgten. Preußen ragte einfach besonders heraus.
2. Auflösungsschritte Preußens im „Dritten Reich“ 1933–1945
Der Großteil der Auflösungschritte fanden im „Dritten Reich“ statt. Es ging dabei nicht ganz im Reich oder in seinen eigenen Provinzen auf. Auch hier gilt, dass Preußen trotz aller Auflösungserscheinungen noch ein staatliches Gebilde blieb, in dem innerhalb alter Bahnen weitergearbeitet wurde. Nicht nur hielten sich im Nationalsozialismus trotz aller Zentralisierungsbestrebungen regionale Identitäten (von Tirolern bis Hamburgern), sondern auch Preußen existierte als „gleichgeschaltetes“ Land weiter.
2.1. Weitere Verreichlichung der Landesministerien
Wie erläutert, war die Verreichlichung unter von Papen noch nicht weit gekommen. Als Reichskanzler/Reichskommissar war er faktisch Ministerpräsident, auch waren das Finanz- und das Landwirtschaftsministerium an Reichsminister personell (aber nicht institutionell) gekoppelt. Aber die meisten Ressorts des Reiches und des Landes liefen unabhängig voneinander. Von Papen hatte innerhalb des Landeskabinetts Einwirkungsmöglichkeiten auf die Minister, aber eine Personalunion aller Minister oder gar nur der Hälfte lag nicht vor. Dabei blieb es auch unter dem Kabinett Kurt von Schleicher. Erst die Nationalsozialisten trieben die Verreichlichung und Auflösung Preußens weiter voran.
Nach der Bildung des Kabinetts Hitler wurde auch die kommissarische Landesregierung in Preußen umgebildet. Reichskommissar blieb von Papen, der Hitlers stellvertretender Reichskanzler wurde. Sein neuer Stellvertreter in Preußen wurde Hermann Göring, der auch das preußische Innenministerium übernahm und Reichsminister ohne Geschäftsbereich wurde. Bis auf Finanzen, Wissenschaft und Justiz gingen die zwei übrigen Landesministerien in Personalunion an den entsprechenden Reichsminister. Dies ist also bereits ein großer Schritt gewesen, wenn es mit den vorherigen drei kommissarischen Landesregierungen verglichen wird.
Wie alle Länder des Reiches erhielt auch Preußen im April und Mai 1933 einen Reichsstatthalter über seine Landesregierung gesetzt. Dieser hatte diktatorische Macht, konnte nach Belieben in die Personalpolitik eingreifen, und war dazu berechtigt, Landesminister auszutauschen. Der Reichsstatthalter war eine entscheidende Weiterentwicklung des Reichskommissars und sicherte die nationalsozialistische Herrschaft grundlegend ab. Reichsstatthalter für Preußen wurde Hitler, der die Amtsbefugnisse aber Göring ausüben ließ. Göring bildete eine neue reguläre, nicht kommissarische Landesregierung. Als Ministerpräsident begann er mit einem Personalaustausch, der auch durch von Papen Eingesetzte einschloss und wesentlich umfangreicher war. Damit trieb er die Machtabsicherung voran.
Göring war zeitweise auch Reichsminister ohne Geschäftsbereich, später für Luftfahrt und für Wirtschaft. In seiner Person war eine entscheidende Verreichlichung gegeben, sogar noch stärker als zuvor bei von Papen. Das Kabinett ging aber viel weiter auf dem Weg der Verreichlichung als nur in der Person des Ministerpräsidenten. Innenminister war ab 1934 parallel der Reichsinnenminister. Nachdem Göring dieses Amt nach kurzer Zeit abgegeben hatte, erhielt es Wilhelm Frick, später Heinrich Himmler. Landesminister für Wirtschaft und Arbeit war stets in Personalunion der entsprechende Reichsminister. Gleiches gilt für das Landwirtschaftsressort (wobei der Amtsinhaber 1942 entmachtet und beurlaubt wurde, nominell in Preußen bis 1945, im Reich bis 1944 im Amt blieb), sowie das Wissenschaftsressort. Hinzu kam ein Landesminister ohne Geschäftsbereich, der ab 1934 im Reich das Kirchenministerium leitete, für das es kein preußisches Ministerium gab. Auch wurden 1935 noch preußische Ministerien für Arbeit sowie für Verkehr personell mit den entsprechenden Reichsministern verbunden. Unverbunden blieb nur das Finanzministerium. Bei den Ministern lagen also umfangreiche personelle Verreichlichungen vor. Institutionelle Verreichlichungen bestanden aber beinahe überhaupt nicht.
Selbst in den wenigen Fällen, in denen preußische Kompetenzen ersatzlos auf das Reich übergingen, war keine völlige Verreichlichung erreicht. Einerseits gab es Behörden, die vollständig auf das Reich übergingen, also reichsunmittelbar wurden (etwa die Luftfahrtverwaltung). Andererseits gab es Kompetenzen, die auf das Reich übergingen, zu deren Ausübung aber die preußische Verwaltung weiter herangezogen wurde (etwa die Straßenverwaltung). Das waren aber Ausnahmen. Es wurden zwar einige Brechen in die Integrität des preußischen Staates geschlagen, doch eine Entstaatlichung lag nicht vor, zumal keine Kernkompetenzen des Staatswesens angegriffen wurden.
Die einzige große Ausnahme war die Polizei. In den Jahren 1933 und 1934 hatte Himmler als „Reichsführer SS“ alle Landespolizeien institutionell getrennt als Kommissar unterstellt bekommen. Bis 1936 trieb er weitere Zentralisierungen voran. Ab 1936 war er als „Chef der deutschen Polizei“ Polizeiherr über alle ehemaligen Landespolizeien, die aus ihren alten Institutionen ausgegliedert wurden. In der Folgezeit trieb Himmler auch die Verschmelzung von reichsweiter Polizei und der SS weiter voran. In Preußen wurde schon ab Anfang 1934 die preußische Polizei faktisch nicht mehr vom Land geleitet. Das ist aber ein extremes Beispiel. In keinem Bereich war eine Verreichlichung im „Dritten Reich“ so deutlich gegeben wie bei SS und Polizei. Es ist nicht repräsentativ, aber etwas, was zur Auflösung Preußens beitrug.
Geschäftsgänge der personell „gleichgeschalteten“ Ministerien blieben getrennt. So konnte sich kein Dualismus zwischen Reich und Land mehr entwickeln, aber eine Eigenständigkeit blieb erhalten. Es existierte weiterhin ein Eigenleben im preußischen Staat. Bis zum Ende des Reiches blieben getrennte Dienstorte, Verwaltungswege und Kompetenzen bestehen. Ausnahmen finden sich höchstens auf Abteilungsebene, dem Extremfall der SS, und in einem von Görings persönlichen „Steckenpferden“: Der Forstverwaltung. Unter dem „Reichsjäger-“ und „Reichsforstmeister“ Göring wurden 1935 die Forstämter von Reich und Land in einer Behörde zusammengefasst. Nirgends war die Verreichlichung Preußens weiter vorangeschritten.
2.2. (In-)Direkte Machtausübung der NSDAP-Gauleiter in Preußen
Im „Dritten Reich“ wurde bis zum Ende die allgemein geplante Reichsreform – also die Neuordnung des Reiches und seiner Glieder – nur angestoßen, aber nie durchgeführt. Deren genaue Ausgestaltung blieb unklar, zumal von etlichen Seiten Ideen entwickelt wurden, die auch noch unvermittelt nebeneinander liefen. Gewisse Eckpunkte können aber an Gebieten erkannt werden, wo keine grundsätzlichen Hindernisse für eine Reichsreform bestanden, darunter in den nach 1938 erlangten Gebieten. Im „Altreich“ wurde nur im Falle des Saarlandes und Hamburgs die Reichsreform umgesetzt. Dabei sollten die Parteibezirke der Mittelinstanz, die „Gaue“, mit der staatlichen Ebene an der Spitze zusammengelegt werden. In Gebieten wie Hamburg war das schon geografisch leichter umsetzbar als in Preußen, auf dessen Boden bis zu 21 Gaue lagen. Entweder hätte Preußen zerlegt werden oder einige Gauleiter auf ihre Herrschaft verzichten müssen. Da die Gauleiter als entscheidende Stütze von Hitlers Herrschaft gelten, ist ersteres wahrscheinlicher.
Göring als Ministerpräsident ging 1934 von etwa zehn Jahren aus, bis Preußen durch eine Reichsreform zerlegt würde. Bis dahin sollte es als staatliche Einheit erhalten bleiben, schon aus Zweckmäßigkeitserwägungen. Auch Hitler hat mit Blick auf die Reichsreform deutlich gemacht, dass er kein „Konservator“ der alten Länder sei. Es blieb aber dabei, dass die Reichsreform bis „nach dem Krieg“ verschoben wurde. Im Krieg waren dafür weder Kapazitäten vorhanden, noch waren die zu erwartenden Widerstände schwach genug. Partei und Staat wurden in Preußen also noch nicht vollends verschmolzen. Ansätze dazu gab es auf regionaler Ebene aber. Ein Beispiel ist die „Deutsche Gemeindeordnung“, durch die den Gauleitern gewisse Ernennungsrechte in den Kommunen zustanden. Aber auch ohne eine direkte Verschmelzung waren die Gauleiter auf regionaler Ebene die entscheidenden Personen. Indirekte Machtausübung konnte auch ohne rechtliche Kompetenzen ausgeführt werden, notfalls durch Drohung. Die Partei besaß ein starkes Übergewicht gegenüber dem Staat.
Auf Preußen wirkte das wie Fliehkräfte, die regionale Interessen verstärkten. Die preußischen Gauleiter besaßen regionale Besonderheiten. Auch war der Herrschaftsstil jeweils ein anderer. Das führte einerseits dazu, dass der jeweilige Gauleiter die regionalen Spezifika kannte, pflegte und mit ihnen handelte. Andererseits wurden die Unterschiede im Preußischen dadurch nur noch deutlicher, als ohnehin schon.Da die Reichsreform aufgeschoben wurde, und der Krieg für das „Dritte Reich“ mit einer Niederlage endete, hatten diese partikularen Interessen der preußischen Gauleiter aber keine dauerhaften Folgen, sondern blieben vor allem auf die jeweiligen Regionen beschränkt. Wäre diese Entwicklung nach 1945 so weitergegangen, wären die Fliehkräfte wohl eines Tages so stark gewesen, dass Preußen dadurch zerrissen worden wäre.
2.3. Stärkung der Oberpräsidenten und Provinzen
Stark mit der herausgehobenen Stellung der Gauleiter hängt auch die Frage nach den preußischen Oberpräsidenten zusammen. Das Amt des Oberpräsidenten hat im Laufe der Zeit erhebliche Änderungen erfahren. Die Nationalsozialisten übernahmen 1933 die Rechtsgrundlagen der Oberpräsidenten der Weimarer Republik, wonach diese (kurz und vereinfacht gesagt) eine Art „Oberhaupt“ der jeweiligen preußischen Provinz darstellten, in die Geschäftsbereiche der Regierungspräsidenten hineinwirken konnten, und nur der Landesregierung unterstellt waren. Im April und Mai 1933 wurden von den Nationalsozialisten wie erwähnt Reichsstatthalter an die Spitze der nichtpreußischen Länder des Reiches gestellt. Da sich nun aber die preußischen Gauleiter erstens zurückgesetzt fühlten, und zweitens der Reichsstatthalter für Preußen (Hitler beziehungsweise Göring) vor allem anderen Aufgaben als dem räumlich großen Preußen zu widmen hatte, wurde auf die Oberpräsidenten zurückgegriffen. Die Hälfte der 1933 zwölf Oberpräsidenten waren NSDAP-Gauleiter, die andere Hälfte war aus der NSDAP-nahen Organisationen und Persönlichkeiten ausgewählt worden, was auf die noch nicht ungeteilte machtpolitische Situation 1933 zurückzuführen ist. Fast alle wurden später durch Gauleiter ersetzt. Aus den Reihen der Gauleiter einer preußischen Provinz wurde einer ausgewählt, der das Amt des Oberpräsidenten übernahm, etwa 1935 in der Rheinprovinz mit vier Gauen. In anderen Provinzen war dies leichter, so in Ostpreußen, wo Gau und Provinz übereinstimmten. Jedenfalls trafen hier nun die partikularen Kompetenzen der Gauleiter auf die der Oberpräsidenten.
Die Amtskompetenzen der Oberpräsidenten wurden bis 1935 schließlich so weit ausgebaut, dass sie denen der Reichsstatthalter stark glichen. So wurden ihre Eingriffsrechte nach unten erweitert und sie erhielten einen Provinzialrat als Gremium zur Seite gestellt, das in mancher Hinsicht einer diktatorischen Provinzialregierung glich. Nach unten hin konnten sich die Oberpräsidenten zusätzlich der Regierungspräsidenten bedienen. So glichen die Provinzen einer Art Preußen im Kleinen.
Für die Provinzen bedeutete diese Stärkung der Mittelinstanz eine größere Entfaltungsmöglichkeit und Eigenständigkeit innerhalb des preußischen Staatsverbandes. Mit den verschiedenen „Gleichschaltungsgesetzen“ zwischen 1933 und 1935 wurde in der Forschung auch manchmal der Punkt als erreicht angesehen, an dem Preußens formale Eigenschaften als Staat verloren gegangen seien. Da sich bislang in keiner Wissenschaftsdisziplin eine einheitliche Definition von „Staat“ vollends durchsetzen konnte, ist ein solcher Befund schwierig: Wird etwa vom klassischen Dreiklang „Staatsvolk, Staatsgewalt und Staatsterritorium“ ausgegangen, war Preußen auch nach 1935 noch ein Staat. Zumindest aber kann festgehalten werden, dass der preußische Staat in dieser Phase von zwei Seiten stark ausgehöhlt wurde: Von oben drückte die „Gleichschaltung“, von unten die Stärkung und zunehmende Verselbstständigung der Provinzen und Gaue. In der Praxis ging beides zulasten der Einheit von Staatsvolk, Staatsgewalt und Staatsterritorium. Sie lösten sie aber noch nicht ab.
Mit Beginn des Krieges 1939 gingen die regionalen Fliehkräfte noch einen Schritt weiter. Denn mit Kriegsausbruch wurden zivile „Reichsverteidigungskommissariate“ eingerichtet. Innerhalb Preußens wurden diese Ämter mit Kriegsbeginn den Oberpräsidenten übertragen. Sie sollten innerhalb ihres Bereiches (den Wehrkreisen, die nicht identisch mit den Provinzgrenzen waren) die zivile Reichsverteidigung koordinieren, also etwa durch Barrikadenbau oder Straßenreparaturen, und zugleich Maßnahmen der militärischen Reichsverteidigung mit den Maßnahmen staatlicher Institutionen abstimmen. Das Reichs- und Landeszentrum Berlin spielte hierbei keine Rolle mehr. Die Entscheidungen wurden regional getroffen. Da auch diese neuen Reichsverteidigungskommissariate 1939 für eine neuerliche Rangverschiebung unter den Gauleitern sorgte, war der Unmut darüber groß.
Nach mehreren Veränderungen der Kompetenzen wurde schließlich die Lösung des Problems darin erblickt, dass jeder Gau seinen eigenen Reichsverteidigungskommissar in Person seines Gauleiters erhielt. Damit waren die Maßnahmen der zivilen Reichsverteidigung und deren Koordinierung mit militärischen Stellen also nicht nur fernab der Landeshauptstadt Berlin in den Provinzen, sondern in den tendenziell noch kleineren Gauen angesiedelt.
Bei 21 Gauleitern und damit 21 Reichsverteidigungskommissaren in Preußen handelten alle anders und unabhängig von der Zentrale. Auch dies konnte wieder nur zulasten von Gesamt-Preußen gehen.
2.4. Territoriale Fragen rund um Preußen im „Dritten Reich“
Auch territorial befand sich Preußen im „Dritten Reich“ in einem Auflösungsprozess. Und auch hier ging dieser Prozess wieder von mehreren Seiten aus. Allein die Tatsache, dass es für notwendig erachtet wurde, territoriale Fragen zu klären, zeigt, dass die Länder keine leeren Hüllen geworden waren, sondern mit ihren Einrichtungen nach wie vor wichtige Funktionen erfüllten. Wie sahen diese territorialen Fragen also für Preußen aus? Einerseits trat Preußen nicht unerhebliches Territorium ab. Dies ging zulasten Preußens, war aber im Sinne des Reiches, etwa für eine ökonomisch sinnvolle Abrundung Hamburgs 1937. Andererseits waren selbst die Gebiete, die dem preußischen Staatsverband einverleibt wurden schlussendlich nur eine Stärkung für die jeweils betroffenen Gaue und Provinzen, nicht aber für das Gesamtland Preußen. Wenn also 1940 etwa Eupen-Malmédy von Belgien an Preußen wieder angegliedert wurde, war das kein Aufhalten oder Hinauszögern des Auflösungsprozesses. Denn es profitierten nur der Gauleiter sowie der Oberpräsident im Rahmen der Vergrößerung ihrer regionalen Herrschaft, nicht aber Preußen als Einheit. Wenn hierbei von einer Vergrößerung Preußens gesprochen werden kann, so galt das zwar nicht nur dem Namen nach, denn immerhin wurde damit das Gesamtgebiet vergrößert. Aber jede Vergrößerung Preußens war im „Dritten Reich“ vor allem eine Vergrößerung seiner regionalen Einzelteile.
Wichtig ist zu erwähnen, dass ursprünglich preußische Territorien mit Ausweitung des Reiches oftmals nicht wieder preußisch wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg waren ausschließlich preußische Gebiete vom Reich abgetreten worden (wenn von den preußisch gelenkten „Reichslanden“ Elsaß-Lothringen abgesehen wird). Gebiete wie das Saarland, das 1935 wieder Teil des Reiches wurde, kehrten aber nicht in den preußischen Verband zurück, sondern wurden eigenständig. Die Teile Preußens, die beim Polenfeldzug zurückerobert wurden, wurden nicht für Provinzen Preußens erklärt, sondern zu „Reichsgauen“ erhoben, in denen die Reichsreform vorweggenommen wurde. Gebiete wie die frühere Provinz Westpreußen wurden nun als Reichsgau Danzig-Westpreußen dem Reich als eigene Gebietskörperschaft, aber eben nicht als Provinz dem Land Preußen angegliedert. Das Oberhaupt des neu angegliederten Reichsgaues war der Reichsstatthalter und Gauleiter in Personalunion. Er stand damit formal betrachtet auf gleicher Ebene wie die Reichsstatthalter/Oberpräsidenten und Gauleiter im „Altreich“. Preußen als Teil des Reiches profitierte in keiner nur denkbaren Form von der Wiederangliederung seiner alten (faktisch nach wie vor verlorenen) Gebiete an das Reich.
3. Preußen in der Nachkriegszeit 1945–1947
Preußen war also bis zum Kriegsende im Mai 1945 in seiner Existenz stark angegriffen, und die Auflösung enorm fortgeschritten. Obwohl aber die regionalen Interessen der Mittelinstanz und die Verreichlichung von oben das Land Preußen zerrieben, war es am Ende des „Dritten Reiches“ immer noch existent. Es lag immer noch ein großer Verwaltungskörper und ein großes Territorium vor – obwohl die Landesspitze größtenteils verreichlicht war, die Gauleiter und Oberpräsidenten als „Gau-Könige“ in ihren Gauen und Provinzen ihr eigenes Einflussgebiet besaßen, und auch die territorialen Erwerbungen Preußens keine Stärkung eines gesamtpreußischen Landes, sondern nur seine Schwächung zugunsten von Gauen und Provinzen ergaben. Es war aber immer noch nicht in seine Provinzen oder Gaue zerlegt, und große Teile seiner Verwaltung (wie die der Finanzen und der Landwirtschaft) funktionierten bis zum Kriegsende noch landesweit, statt abgeschafft worden zu sein, oder sich nur auf die einzelnen Provinzen zu erstrecken. Die letzten Auflösungsschritte sollten erst nach dem „NS-Reich“ unter den Alliierten erfolgen.
Es fielen mit dem Kriegsende aber auch mehrere Faktoren der Auflösung Preußens weg. Die Gauleiter und Reichsverteidigungskommissare sowie allgemein die Partei waren nicht mehr da, die Oberpräsidenten waren abgesetzt. Eine Landesregierung war mit dem Ende der Reichsregierung weggefallen, eine zentrale Verwaltung entfiel damit. Eine Stärkung Preußens, ein Aufhalten der Auflösung oder ein Zurückdrehen der Auflösung fand aber höchstens auf lokaler Ebene statt, da die Alliierten nach der Besetzung das Machtvakuum schnell füllten. Übrig blieben zu diesem Zeitpunkt nur noch die einzelnen Provinzen, die sich zwar als preußische Provinzen sahen, so hießen und auch so arbeiteten, aber mehr oder minder unverbunden nebeneinander standen. Aber auch das sollte nicht mehr lange Bestand haben und der letzten Phase des Auflösungsprozesses zum Opfer fallen.
3.1. Okkupationen und Annexionen Preußens östlich der Oder-Neiße-Linie
Am deutlichsten waren die Besetzungen und (zuerst nur faktischen, nicht offiziellen) Annexionen östlich der Oder-Neiße-Linie. Mit dem Einmarsch der Roten Armee und der Vertreibung der Deutschen aus den preußischen Ostprovinzen besetzten die Sowjetunion und Polen nicht nur die Provinzen Ostpreußen, Schlesien und Oberschlesien komplett, sondern auch Teile Pommerns und Brandenburgs, die sie unter ihre Zivilverwaltung stellten. Weniger die Besetzung als vielmehr die Zivilverwaltung bei systematischer Vertreibung der Deutschen und der Ansiedlung von Polen bedeutete faktisch eine Annexion, die schon im Januar 1945 eingesetzt hatte. Preußische Landschaften waren damit verloren gegangen, und ein erheblicher Teil des Gesamtgebietes Preußens abgetrennt.
Die anderen territorialen Veränderungen nach 1945 schufen Fakten, die sich schnell als dauerhaft erwiesen. Die Frage der Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie blieb aber lange offen, auch wenn offensichtlich war, dass eine einfache Rückkehr und Wiederinbesitznahme auf veränderte Umstände treffen würde. Dort, wo einst Preußen lebten, lebten inzwischen selbst vertriebene Polen. Die DDR hatte schnell auf Gebietsansprüche gegenüber dem neuen „Bruderstaat“ Polen verzichtet, in der BRD zog sich eine Anerkennung aber über Jahrzehnte hin. Die BRD verzichtete erst unter Willy Brandt mit den „Ostverträgen“ 1972 auf die Gebiete, was in den Verhandlungen zum „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ 1989/1990 nochmals untermauert wurde. Damit wurde anerkannt, was 1945 in Form von Tatsachen geschaffen wurde.
3.2. Bildung neuer Länder auf preußischem Boden
Der umfangreichste Teil des Auflösungsprozesses war mit der Bildung neuer Länder auf preußischem Boden erreicht. Mit der Errichtung der Besatzungszonen zogen sich deren Grenzen bereits über die alten Landesgrenzen hinweg. Das musste aber noch nicht automatisch eine Abschaffung oder Umbildung der alten Länder bedeuten. Preußens Territorium war von allen vier Besatzungszonen betroffen. Mit unterschiedlichem Tempo gingen die Besatzungsmächte an eine territorial-staatsrechtliche Umgestaltung der Verhältnisse. Bis zur Einrichtung neuer Länder blieb die preußische Verwaltung stets bis zur Ebene der Regierungsbezirke erhalten, in einigen Bereichen wie den kulturpolitischen Provinzialverbänden sogar auf Provinzebene. Es gab also weiterhin preußische Verwaltungen.
Als erstes begann die Sowjetunion in Teilen der von ihr besetzten preußischen Provinzen die Lage zu ordnen. Am 9. Juli 1945 wurde das Land Mecklenburg-Vorpommern gegründet. Dazu wurden Teile der preußischen Provinzen Hannover und Pommern, die nicht östlich der Oder-Neiße-Linie lagen („Hinterpommern“), mit dem nichtpreußischen Land Mecklenburg zusammengelegt. Das war einerseits eine Verfestigung der Lage östlich der Oder-Neiße-Linie, denn der Rest Pommerns, der nicht von Polen annektiert war, ging nun in einem neuen Land auf. Andererseits bedeutete es eine Wegnahme preußischen Gebietes.
Am 19. September 1945 erfolgte auch in der US-amerikanischen Besatzungszone eine Landesgründung aus preußischen Provinzen. Aus dem nichtpreußischen Hessen und den preußischen Provinzen Kurhessen und Nassau wurde Groß-Hessen (später nominell nur noch „Hessen“). Hier bestätigte sich das Vorgehen der Sowjets, auf die ursprünglichen Landesgrenzen keine Rücksicht zu nehmen, sondern sich an anderen Merkmalen wie geografischen Grenzen, Zonengrenzen oder Regionalidentitäten zu orientieren.
Es dauerte ein Jahr lang, bis auch die Briten im August 1946 nachzogen, und in ihrer Besatzungszone Länder errichteten. Als der Entschluss hierzu fiel, wurde sofort alles preußische Gebiet in der Besatzungszone in die Neuordnung einbezogen. In sämtlichen Fällen fanden dabei Zusammenlegungen mit nichtpreußischem Gebiet statt, bei dem aber große Überschneidungen mit den preußischen Provinzen und eine Dominanz der preußischen Anteile vorlag: Nordrhein-Westfalen wurde vornehmlich aus der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen gebildet, Niedersachsen vor allem aus der Provinz Hannover, und Schleswig-Holstein größtenteils aus Schleswig-Holstein. Die Briten orientierten sich von den Alliierten am stärksten an den preußischen Provinzen und ihren Grenzen.
Die Franzosen handelten auch erst im August 1946, als sie die Reste der französisch besetzten Teile der Rheinprovinz mit der bayerischen Pfalz zu Rheinland-Pfalz zusammenlegten, und wenige Monate später die Hohenzollernlande mit Württemberg vereinigten. Berlin blieb bei diesen Gründungen außen vor. Dies heißt nicht, dass damit ein Rest Preußens bestehen blieb, denn Berlin wurde länderunabhängig als einzelne Stadt unter unmittelbare Verwaltung der Alliierten gestellt. Spätestens mit diesem Sonderstatus Berlins innerhalb der Besatzungszonen war es kein Teil mehr Preußens. (Dass BRD wie DDR eigene Rechtsansprüche auf Berlin erhoben und die Stadt territorial als eigenes Gebiet bezeichneten, ändert nichts an der Sonderrolle als direkt unter alliierter Aufsicht stehendem Territorium.)
Übrig blieben also nach den Ländergründungen durch die Alliierten nur noch die preußischen Provinzen Brandenburg sowie die noch 1944 im „Dritten Reich“ aufgeteilte Provinz Sachsen, die in Halle-Merseburg und Magdeburg zerlegt worden war. Alle drei befanden sich in der Sowjetzone. Sie entsprachen erheblich dem Ursprungsgebiet Brandenburg-Preußens, auf das Preußen damit wieder geschrumpft war. Im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern konstituierte die Besatzungsmacht hier aber kein neues Land, sondern beließ es bei den Provinzen, wobei aber zumindest die sächsischen Provinzen wieder zu einer vereint wurden. Diese nunmehr zwei Provinzen waren das letzte, was übrig war von Preußen. Doch mit der Aufrichtung von jeweils eigenen Landtagen 1946 waren diese beiden ähnlich weit voneinander getrennt, wie im „Dritten Reich“ unter ihren Oberpräsidenten. Als Preußen 1947 schließlich staatsrechtlich aufgelöst wurde, wurden die beiden übriggebliebenen Provinzen in Länder umgewandelt.An der Umwandlung kommt die bis dahin in der Verwaltung weiterhin geübte Praxis, im Rahmen der bisherigen preußischen Provinzialverwaltung inklusive Provinzialregierung weiterzuarbeiten, besonders klar hervor. Die Umwandlung war aber kein großer Schritt mehr.
3.3. Staatsrechtliche Auflösung des (Rest-)Staates Preußen 1947
Als die Alliierten mit dem „Kontrollratsgesetz Nr. 46“ am 25. Februar 1947 Preußen formal auflösten, hatte es laut Gesetzestext „in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört.“ „Der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit aufgelöst. […] Die Gebiete, die ein Teil des Staates Preußen waren, und die gegenwärtig der Oberhoheit des Kontrollrats unterstehen, sollen die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Ländern einverleibt werden.“ Preußen sollte unmissverständlich sein Ende finden.
In älteren wie neueren Untersuchungen wird diese formale Auflösung 1947 zumeist als letzter Akt von etwas faktisch bereits vollendetem interpretiert. Wie gezeigt war das aber nur eingeschränkt der Fall. Zwar war Preußen von den Alliierten territorial 1945/1946 stark zerlegt worden, sodass 1947 kaum noch etwas zum Auflösen übrig war. Aber eine nur symbolische Handlung war das keineswegs. Die Symbolkraft selbst steht außer Frage, denn mit der Auflösung war eine klare Aussage seitens der Alliierten getätigt worden, also eine Art „amtliche Todeserklärung“ (Winfried Ranke). Aber schon allein die Frage, was mit der Konkursmasse geschehen sollte (etwa mit den kulturellen Provinzialverbänden), musste rechtlich geregelt werden. Unbestritten bleibt bei alledem, dass damit 1947 Preußen definitiv endete.
Warum aber hielten es die Alliierten noch für nötig Preußen zu beseitigen? Mit Annexionen und Ländergründungen waren immerhin schon Schritte erfolgt, die für die 1947 verbliebenen preußischen Provinzen ebenfalls hätten unternommen werden können. Auch die Rechtsfrage nach der Konkursmasse sowie der Rechtsnachfolge hätte über die Besatzungszonen oder die Länder gelöst werden können. Der Grund für die förmliche Auflösung lag vor allem in rein politischen Erwägungen. Die Motivationen lagen jeweils etwas anders, aber die Konsequenzen einer Umsetzung waren in allen Fällen gleich: Preußen als Staat, Einheit, Entität, Gebilde, Gebiet oder Identität sollte verschwinden.
Während Großbritannien und die USA „arglos oder gleichgültig“ (Gerd Heinrich) an dem Auflösungsgesetz beteiligt waren, trieben vor allem die Sowjetunion und Frankreich die Frage voran. Für die Sowjetunion spielte eine Rolle, dass sie dem polnischen Staat die „nur“ verwalteten preußischen Ostgebiete fester sichern und damit Polen näher an die Sowjetunion binden wollte. Polen hatte an einer möglichst deutlichen Festschreibung der Oder-Neiße-Linie naheliegenderweise ein handfestes Interesse. Ohne einen preußischen Staat wäre das deutsche Beharren auf den preußischen Ostgebieten schwieriger aufrechtzuerhalten gewesen. Frankreich hingegen sah eine potentielle deutsche Gefahr vor allem von einem Kern Preußen ausgehen. Es lag im französischen Interesse durch eine Abtrennung von Preußens Osten (zugunsten Polens/der Sowjetunion) und Westens (an Frankreich) diesen Kern zu schwächen und den Rest ebenfalls in Einzelteile zu zerlegen. Damit wäre der Kern einer deutschen Gefahr beseitigt – so die Annahme. Die Motivationen von Sowjets wie Franzosen zeigen im Hinblick auf die hier untersuchte Leitfrage vor allem eines: Die Alliierten behaupteten im Kontrollratsgesetz zwar, Preußen sei faktisch bereits nicht mehr existent, sahen aber in einem potentiellen Reststaat Preußen trotzdem ein so großes Hindernis für eigene politische Interessen, dass nur ein Weg blieb, um unmissverständlich einen Schlussstrich zu ziehen: eine völkerrechtliche Auflösung. Selbst die Alliierten sahen Preußen 1947 also noch nicht als ganz aufgelöst an, weshalb sie Preußens Ende förmlich beschlossen.
4. 13 Schritte zur Auflösung Preußens in 15 Jahren
In den 15 Jahren zwischen 1932 und 1947 existierte weiterhin ein Preußen, das aber immer weiter aufgelöst wurde. Dies sollte hier genauer ausdifferenziert werden. Gerade weil es so verworren und kompliziert ist, sollen hier die 13 Einzelschritte noch einmal aufgezählt werden.
Erster Schritt war der „Preußenschlag“ 1932 durch das Reichskabinett von Papen. Der Staat blieb intakt, war aber an die Reichsregierung gebunden. Zweiter Schritt war die „Gleichschaltung“ der Nationalsozialisten 1933, wobei ebenfalls der Staat als Einrichtung erhalten blieb. Der dritte Schritt war schleichenden Charakters und ist in den Gauleitern zu erkennen, die mit ihrer regionalen Herrschaft das Gesamtgebilde Preußen immer mehr in Frage stellten. Gleiches gilt für die Oberpräsidenten, deren Provinzen eine solch große Eigenständigkeit im preußischen Föderalismus erreichten, dass sie einen vierten Schritt darstellen. Der fünfte Schritt baute die Gauleiterherrschaft mit den Reichsverteidigungskommissariaten noch weiter aus, während der sechste Schritt darin zu sehen ist, dass das Gesamtland Preußen Territorium verlor, beispielsweise 1937 an Hamburg. Siebter Schritt war die Nicht-Einverleibung ehemals preußischer Gebiete wie Westpreußen 1939, die eine eigenständige Rolle neben Preußen erhielten, nachdem das Reich sie annektiert hatte. Ein achter Schritt lag darin, dass dem Namen nach zum preußischen Staat hinzugefügte Gebiete wie Eupen-Malmédy 1940 eigentlich nur die regionale Herrschaft, nicht aber das Gesamtland stärkten.
Damit war Preußen bereits stark angegriffen, aber es existierte selbst noch zum Kriegsende 1945. Es folgten mit dem Wegfall der Reichs- und damit der Landesregierung der neunte Schritt, mit der Annexion der Ostgebiete, die größtenteils preußisch waren, der zehnte Schritt, mit den vielen Ländergründungen aus preußischem Territorialbestand der elfte, und mit dem Kontrollratsgesetz 1947 der zwölfte Schritt. Hiernach wurden die beiden übrig gebliebenen preußischen Provinzen in Länder umgewandelt, was der 13. Schritt war. Von einem einfachen Ende Preußens 1932 kann also nicht gesprochen werden, es war eher eine langgestreckte Auflösungsphase von 1932 bis 1947.
) sowie HTML SSL (Daniel Meis, hauptberuflicher Historiker, studierte Geschichte, Politikwissenschaft & Rechtswissenschaft an den Universitäten Wuppertal, Hagen & Bonn. In Bonn promovierte er auch von 2020 bis 2022. Seit 2020 lehrt er an der Universität Düsseldorf, ab 2022 zusätzlich auch an den Universitäten Bonn & Stuttgart. Seine Schwerpunktbereiche in Forschung & Lehre sind Biografik, Mediengeschichte, Nationalsozialismus, Regionalgeschichte & Unternehmensgeschichte.
Literatur und Auswahlbibliographie
- Blaschke, Heribert: Das Ende des preußischen Staates. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung, Ensdorf-Saar 1960.
- Gornig, Gilbert: Der Untergang Preußens unter besonderer Berücksichtigung des Kontrollratsgesetztes Nr. 46 betreffend die Auflösung Preußens vom 25. Februar 1947, in: Preußeninstitut (Hrsg.): Der Untergang Preußens, Remscheid 1998, S. 5–43.
- Hirschfeld, Hans E.: Preußens Ausklang, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz, 6/1968, S. 75–95.
- Mann, Golo: Das Ende Preußens, in: Netzer, Hans Joachim (Hrsg.): Preußen. Porträt einer politischen Kultur, München 1968, S. 135–165.
- Meinzer, Lothar: Das doppelte Ende Preußens: „Preußenschlag“ und „Drittes Reich“ 1932–1945/47, in: Schlenke, Manfred (Hrsg.): Preußen-Ploetz. Eine historische Bilanz in Daten und Deutungen, Köln 2003, S. 242–245.
- Möller, Horst: Das Ende Preußens, in: Böhme, Wolfgang (Hrsg.): Preußen – eine Herausforderung, Karlsruhe 1981, S. 100–114.
- Möller, Horst: Preußen von 1918 bis 1947: Weimarer Republik, Preußen und der Nationalsozialismus, in: Neugebauer, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch der preußischen Geschichte, Band 3. Vom Kaiserreich zum 20. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens, Berlin/New York 2001, S. 149–316.
- Schlenke, Manfred: Vom Ende und vom Fortleben Preußens, in: Schlenke, Manfred (Hrsg.): Preußen-Ploetz. Eine historische Bilanz in Daten und Deutungen, Köln 2003, S. 262–272.
- Simms, Brendan: Prussia, Prussianism and National Socialism, 1933–47, in: Dwyer, Philip G. (Hrsg.): Modern Prussian History 1830–1947, Harlow 2001, S. 253–273.
Anmerkung: Es gibt wie oben ausgeführt zwar einige Veröffentlichungen zur Frage, wann Preußen endete, aber diese führen zumeist lediglich den „Preußenschlag“ 1932 oder seltener die Kontrollratsdirektive 1947 an. Die hier vorgelegte Ausdifferenzierung in Einzelschritte als gestreckten Auflösungsprozess wurde noch nicht in Erwägung gezogen. Daher sei bei der angeführten Literatur auf die wichtigsten Publikationen hingewiesen – allerdings mit dem Hinweis versehen, dass die Frage nach Preußens Ende mitunter sehr unterschiedlich beantwortet wird. Zur weiteren Vertiefung in die Thematik sollten also auf jeden Fall alle Titel gleichermaßen gewürdigt werden.