Lilly Maiers neues Buch – Auf Wiedersehen, Kinder! Ernst Papanek. Revolutionär, Reformpädagoge und Retter jüdischer Kinder.
Ernst Papanek (*1900) wuchs in Wien auf, bevor ihn Bürgerkrieg und Zweiter Weltkrieg aus Österreich vertrieben. Die Historikerin Lilly Maier hat dem revolutionären Sozialdemokraten und Pädagogen mit ihrem kürzlich erschienen Buch „Auf Wiedersehen, Kinder!“ nun ein Denkmal gesetzt.
Der Wiener Ernst Papanek – assimilierter Jude, Vollblut-Sozialist und leidenschaftlicher Pädagoge – leitete während des Zweiten Weltkriegs vier Kinderheime in Montmorency bei Paris für 283 jüdische Flüchtlingskinder aus Deutschland und Österreich. Die Kinder waren von ihren Eltern auf einem sogenannten „Kindertransport“ nach Frankreich geschickt worden, um sie vor den Nationalsozialisten zu retten. Verängstigt und allein fanden sie in den Heimen Papaneks ein Zuhause.
In seiner Pädagogik stellte Ernst Papanek den individuellen Schüler in den Mittelpunkt und predigte einen bewusst antiautoritären Erziehungsstil: Er verbannte Hausaufgaben, Noten und jede Art von körperlichen Strafen und ließ sich von seinen Schülern duzen. Papanek öffnete das Klassenzimmer, hielt oft Unterricht im Freien ab und machte viele Exkursionen – eine Abwendung von der monarchischen „Paukschule“, die er selbst als Schüler in Wien erlebt hatte. Außerdem installierte Papanek eine umfassende Schülermitverwaltung, um den Kindern nach Jahren der Diktatur wieder Demokratie beizubringen.
Seine Anfänge als Lehrer hatte Papanek im Wien der Zwischenkriegszeit. Der charismatische Wiener stammte aus einer kleinbürgerlich-jüdischen Familie und begeisterte sich schon früh für die Sozialdemokratie und den Sozialismus. 1916 trat er der Sozialistischen Arbeiterjugend Deutschösterreich bei. Das Parteilokal Rudolfsheim lag nur unweit von seinem Elternhaus in der Reindorfgasse entfernt und dort nahm er regelmäßig an Diskussionsabenden teil. 1933 übernahm der Junglehrer Papanek die Leitung der Sozialistischen Jugend, sein Nachfolger dort war der junge Bruno Kreisky. 1934 kam dann der erste große Bruch: Während der Februarunruhen ein Todesurteil gegen Papanek – inzwischen Wiener Gemeinderat – verhängt. Papanek floh ins Exil: In Danzig entkam er nur knapp den Nationalsozialisten, im Spanischen Bürgerkrieg schloss er lebenslange Freundschaften mit Genossen, die später die Sozialdemokratie Europas prägen sollten.
Zwei Jahre lang kümmerte sich Ernst Papanek in Paris um jüdische Flüchtlingskinder. Dann gelang ihm in letzter Sekunde die Flucht aus Europa: Der französische Widerstand schmuggelte ihn und seine Familie über die Grenze – auf jener Fluchtroute, die später Heinrich Mann, Franz Werfel und Lion Feuchtwanger nehmen sollten. In New York angekommen, musste sich Papanek als Tellerwäscher verdingen. Fast wirkte es so, als würde der Pädagoge an den Umständen zerbrechen, doch dann erfand er sich in Amerika neu. Er leitete mit ungewöhnlichen Methoden und großem Erfolg eine Schule für straffällige Jugendliche, die ein Herzensprojekt der First Lady Eleanor Roosevelt war. Am Höhepunkt seiner Karriere wurde Papanek schließlich als Professor für Pädagogik an die City University of New York berufen.
Heute, fünfzig Jahre nach seinem Tod, hat kaum jemand je von dem Politiker und Pädagogen Ernst Papanek gehört. Dabei beweist Lilly Maiers Buch „Auf Wiedersehen, Kinder!“, dass Ernst Papanek eine vergessene Ikone der österreichischen Pädagogik ist.
Lilly Maier: Auf Wiedersehen, Kinder! Ernst Papanek. Revolutionär, Reformpädagoge und Retter jüdischer Kinder. Erschienen im Molden Verlag.
Mehr Infos gibt es auch auf der Homepage: www.ernst-papanek.at