Als ich dreizehn Jahre alt war, hörte ich eine Stimme von Gott, die kam, um mich zu leiten.
Jeanne d’Arc – Aussage im Inquisitionsprozess
Jeanne d’Arc, eine der bedeutendsten Frauen des Mittelalters lebte ein kurzes und gleichzeitig ereignisreiches Leben, das am 30. Mai 1431 in Rouen ein grausames Ende auf dem Scheiterhaufen nimmt. Bevor es allerdings zu diesem dramatischen Höhe- und auch Endpunkt der Biografie Jeanne d’Arcs kommt, werfen wir auf Geschichte-Lernen.net einen Blick auf die maßgeblichen Stationen des Lebens der Frau, die in Frankreich noch heute als Nationalheldin verehrt wird: Jeanne d’Arcs Geburt, Kindheit und Wurzeln in Domrémry, die Ereignisse in Badricourt und Orléans, die Königsweihe in Reims und schließlich ihre Gefangennahme und Prozess, der zum grausamen Feuertod führt. Der besondere Augenmerk des Beitrags liegt auf der Kindheit und frühen Jugend Jeanne d’Arcs in Domremry mitsamt den „Stimmen“ die sie dort vernahm.
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Als erstes wenden wir unseren Blick den Wurzeln der Jeanne d’Arc zu – die im deutschen Sprachraum auch Johanna von Orleans genannt wird – und blicken in der Geschichte zurück auf das kleine Dorf Domrémy im Grenzgebiet zwischen dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und dem burgundischen Territorium. Zu Lebzeiten Jeanne d’Arcs, der zweiten Phase des Hundertjährigen Krieges – der andauernden Auseinandersetzung um die französische Krone zwischen Frankreich und England, wird dieser Ort permanent von Überfällen und Plünderungen geplagt.
Kindheit in Domrémy
Jeannes Eltern zählten zur sogenannten Schicht der Laboreurs, einer Oberschicht innerhalb der ländlichen Bevölkerung, also die besser gestellten Bauern. Der Vater der jungen Jeanne übernahm das Amt eines Doyen und war somit beispielsweise zuständig für die Eintreibung von Steuern. Jeanne wurde demnach in eine für das kleine Dorf Domrémy wohlhabende Familie eingeboren, an einem anderen Ort allerdings wäre das Vermögen der d’Arcs kaum nennenswert gewesen. Nichtsdestotrotz reichte der Wohlstand für den Bau eines steinernen Hauses, beispielhaft für das 15. Jahrhundert, man denke nur an die Redewendung, jemand sei „steinreich“. Das Haus, in dem Jeanne aufwuchs, kann heute noch besichtigt werden und wirkt als Magnet auf die Touristen, die sich in Frankreich auf die Spuren von Jeanne d’Arc begeben.
Jeanne d’Arcs Familie
Gehen auch wir noch einmal zurück zum Ursprung des Lebenslaufs der jungen Jeanne. Ihre Eltern haben wir bereits kennengelernt. Sie besaß zudem noch drei Brüder und an mancher Stelle wird in der Forschung noch von einer Schwester berichtet. Obwohl Jeannes Familie zu den wohlhabenderen im Dorf gehörte, scheute Jeanne nicht die Arbeit auf dem Feld und sie half fleißig im Haushalt. Auch übernahm sie Aufgaben innerhalb der dörflichen Gesellschaft und fungierte als Patin für die Kinder befreundeter Familien. Doch war sie nicht nur ein eifriges Bauernmädchen, sie besuchte auch häufig – zu häufig, wenn man einigen Zeugenaussagen aus den Prozessen in Rouen glauben mag – Messen in der örtlichen Kirche. Doch neben dieser Idylle, die sich uns präsentiert, besaß Jeannes Kindheit auch Schattenseiten: der Krieg, der zwischen Frankreich und England wütete. Er verschonte auch nicht das kleine Dorf und Jeanne erlebte zweimal mit, wie sich ihre kleine, heile Welt der rohen Gewalt beugen musste, geplündert wurde und in Flammen stand. Trost suchte Johanna bei Gott. Dass er ihr diesen spendete, war sie sich gewiss, als sie zum ersten Mal jenes helle Licht sah und die Stimmen vernahm, die ihr schließlich die Aufgabe zuteilten, für deren Erfüllung sie noch heute weltbekannt ist.
Erste Begegnung mit den Stimmen
Nach eigener Aussage befand sich Jeanne d’Arc im Alter von 13 Jahren im Garten ihres Vates, als …nun… lassen wir sie doch selbst erzählen und lauschen ihren Worten aus ihren Aussagen im Inquisitionsprozess:
„Als ich dreizehn Jahre alt war, hörte ich eine Stimme von Gott, die kam, um mich zu leiten. Das erste Mal hatte ich große Furcht. Die Stimme kam ungefähr zur Mittagsstunde, im Sommer, im Garten meines Vaters. Am Tag zuvor hatte ich gefastet. Ich habe die Stimme von meiner Rechten her gehört, wo die Kirche lag. Von derselben Seite kam eine große Helligkeit. Dieses Licht kommt immer von derselben Seite, von der ich die Stimme vernehme. Die Stimme erschien mir erhaben, und ich glaube, dass sie von Gott geschickt war. Und nachdem ich sie dreimal gehört hatte, erkannte ich, dass es die Stimme eines Engels war. Diese Stimme hat mich immer geleitet, und ich habe sie immer gut verstanden. Sie hat mir geheißen, mich gut zu führen und oft in die Kirche zu gehen.“
Wie wir wissen, beließen es die Stimmen, die sie nach und nach als die des heiligen Michael, der heiligen Katharina und der heiligen Margarete identifizierte, nicht bei diesem Anliegen, sondern forderten von ihr die Krönung des Dauphin zum französischen König und die Rettung Frankreichs vor den Engländern. Jeanne erlebt diese aufwühlenden Ereignisse als Kind mit und kann sie auch in den Prozessen, in denen sie verhört wird, ausführlich schildern und von ihren eigenen Ängsten berichten. Doch greifen wir an dieser Stelle nicht vor. Jeanne vertraute den Stimmen, die ihre ständigen Begleiter wurden und verlor ihre anfängliche Angst.
Die Jungfrau aus dem Eichenwald
Sie berief sich bei ihrer göttlichen Mission auch auf eine Legende, die zu ihrer Zeit kursierte und in der sie sich selbst zu erkennen glaubte. So habe der Magier Merlin vorhergesagt, dass ein Mädchen aus dem Eichenwald kommen werde, um Frankreich zu retten. Kein gewöhnliches Mädchen, es werde eine Jungfrau sein. Und Keuschheit war ein bedeutender Charakterzug der jungen Jeanne, immerhin hatte sie es ihren Heiligen geschworen, sehr zum Ärger ihres Vaters. So weigerte sie sich hartnäckig, wo wir bei einer weiteren Eigenschaft Jeannes wären, einen jungen Mann, dem sie versprochen war, zu heiraten. Ihre Jungfräulichkeit behielt sie bis zu ihrem Tod bei. Diese wurde auch für die folgenden Ereignisse bedeutsam, so unterzog man sie am Hofe des Dauphin einer ausgiebigen Untersuchung, um die Wahrheit ihrer Behauptung festzustellen. Die Keuschheit einer Frau ging zu dieser Zeit Hand in Hand mit ihrer Glaubwürdigkeit. Die Untersuchung wurde in ihrem Ketzerprozess wiederholt, allerdings mit einer weniger erfolgreichen Folge als vor dem französischen König. So wurde sie trotz ihrer bewiesenen Jungfräulichkeit zum Tode verurteilt. Doch zurück zur Legende: Jeanne sah sich als die Jungfrau, die aus dem Eichenwald kommt, um Frankreich zu retten. Mit dieser Ansicht stand sie nicht allein, einige Dorfbewohner stimmen mit ihr darin überein.
Die Heiligen und die schlagfertige Jungfrau von Orleans
Die Stimmen betonten diesen Anspruch umso mehr. Man mag nun an deren Existenz berechtigte Zweifel hegen, nichtsdestotrotz war die Wahl genau dieser drei exzellent. Zunächst der heilige Michael, als Patron Frankreichs und Symbol des französischen Widerstands in Form der ihm gewidmeten Abtei Mont-Saint-Michel, die nicht von den Engländern erobert werden konnte, musste den Engländern demnach ein Stein des Anstoßes sein. Die beiden Frauen, die Jeanne zu hören glaubte, waren beide bekannt als Jungfrauen und Märtyrerinnen, ein Schicksal, dem sich Jeanne schließlich anschloss. Dass sie sich allerdings diese beiden aussuchte, war sehr geschickt, stellte sie sich so in eine Reihe mit zwei für ihre Keuschheit bekannten Frauen.
Nach diesem kurzen Blick auf die junge Jeanne verwundert eine Tatsache, die auch in der historischen Forschung häufig für Diskussionen sorgt: wie kann ein Bauernmädchen, nach eigenen Angaben des Lesens und Schreibens unkundig und gerade einmal in der Lage, seinen Namen krakelig zu kritzeln, sich vor einem Gericht mit erstaunlichem rhetorischen Talent behaupten? Briefe, die sie während ihres Feldzuges den Engländern zukommen ließ und in denen sie deren Kapitulation forderte, diktierte sie anderen. Es scheint sich also bei Jeannes Schlagfertigkeit um eine weitere einmalige Fähigkeit zu handeln, die letztendlich den Mythos, der sich um sie rankt, noch geheimnisvoller erscheinen lässt.
Doch zurück zu den „Stimmen“ und deren Mission für Jeanne d’Arc, ganz Frankreich von den Engländern zu befreien. Diese gewaltige militärische Aufgabe soll sie jedoch nicht alleine erfüllen, sondern dafür zum Stadthauptmann von Vaucouleurs gehen, Robert de Baudricourt. Dieser werde ihr die nötigen Männer für diese Mission geben.
Vom Baudricourt bis zur Eroberung von Orléans
Als Jeanne sich jedoch auf den Weg zu Baudricourt macht, muss sie bald feststellen, dass die Aufgabe, die ihr die Stimmen aufgetragen haben, sich schwieriger gestalten werde, als gedacht. Sie wird dreimal abgewiesen und der Stadthauptmann empfiehlt dringlich, dass ihr Vater ihr besser ein paar Ohrfeigen geben solle. Doch Jeanne beweist eine erstaunliche Hartnäckigkeit, schart bald Anhänger um sich und kann letztendlich doch die nötigen Männer für den Sturm auf Orléans von Baudricourt erbitten. Sie wählt aber nicht nur den formalen Status einer Kämpferin, die allerdings nie selbst einen Mann durch das Schwert tötete, sie entscheidet sich auch gegen Frauen- und für Männerkleidung – diese sei praktischer beim Ritt zu Pferde. Auch schneidet sie sich die Haare kurz und gleicht so nach außen eher einem männlichen Kämpfer als einer frommen Bauerntochter. In der Schlacht, die ihr schließlich auch ihren Beinamen verlieh, erobert sie die Stadt Orléans zurück; und das, obwohl sie dabei von einem Pfeil getroffen und verwundet wird.
Königsweihe in Reims
Doch hier endet ihr Siegeszug nicht, sie kämpft sich weiter vor und erfüllt schließlich die wichtigste Aufgabe, die ihr die Heiligen aufgetragen haben. Jeanne zieht nach Chinon zum Dauphin Karl VII. und überzeugt ihn von ihrer wichtigen Mission. Viele Mythen ranken sich um dieses Treffen, und es ist nicht klar, wie sie ihn schließlich überzeugte. Eine verbreitete Variante ist Jeannes Wissen um den verkleideten Karl, der durch diesen Trick versucht, sie als Betrügerin zu entlarven. Jeanne fällt allerdings nicht darauf herein und kniet vor dem wahren Dauphin nieder und schwört ihm ihre Treue. Sie zieht zusammen mit dem Dauphin nach Reims, dem rechten Ort der Königskrönung, und lässt ihn zum französischen König krönen. Jeanne ist auf dem Höhepunkt ihrer kurzen Karriere, die als Bauernmädchen begann und nun mit der triumphalen Salbung Karls endet. Der Hundertjährige Krieg scheint sich in dieser Phase zugunsten der Franzosen zu wenden.
Gefangennahme und Prozess
In den entscheidenden Etappen standen Jeanne ihre Heiligen, die sie selbst als die heilige Margarete, die heilige Katharina und den Erzengel Michael identifizierte, stets bei, nun sagen sie ihr allerdings voraus, dass ihr Triumphzug bald ein Ende haben und sie in die Gefangenschaft der Engländer geraten werde. Sie sollten Recht behalten. Beim Zug auf die Stadt Paris wird Jeanne schließlich gefasst und nach Rouen gebracht, wo ihr vor einem englischen Gericht der Prozess gemacht wird. Sie wird der Ketzerei beschuldigt und schließlich nach einem zermürbenden Verhör, in dem es unter anderem um Kleidung und Sprache – Französisch? – der Heiligen geht, schuldig gesprochen und zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Diese Zeit gehört wohl nicht zur Glanzstunde des französischen Königs Karl VII., der sich nun zum Friedenschluss mit den Engländern entscheidet und von ihr abwendet. Jeanne hält während des Prozesses bis zum Schluss an ihren Aussagen fest. Lediglich im Angesicht des drohenden Feuertods schwört sie in einem schwachen Moment ab. Wenige Tage später allerdings legt sie erneut in ihrem Kerker Männerkleidung an – für ihre Ankläger das entscheidende Indiz für ihren Rückfall und schließlich ihre Schuld. Sie wird als rückfällige Ketzerin auf dem Marktplatz von Rouen verbrannt.
Revisionsprozess und Nachwirkung
Erst 24 Jahre später, im Jahr 1455, bemüht sich Karl VII. um die Wiederherstellung der Ehre der Frau, die ihn zum König machte. Entscheidend war auch der für Frankreich glückliche Ausgang des Krieges. Karl strebt einen Rehabilitierungsprozess an, in dem das Urteil von 1431 revidiert wird. Im Jahr 1909 wird sie zunächst seliggesprochen, ihre Heiligsprechung folgt im Jahr 1920.
Die Wirkung der Figur Jeanne d‘Arc ist noch immer ungebrochen und der Mythos, der sich um sie rankt, wird bis heute im politischen Wahlkampf französischer Parteien aller Richtungen instrumentalisiert. Auch wenn in der Forschung über viele Aspekte ihres Lebens, wie beispielweise die Bewertung ihrer Visionen oder ihr biologisches Geschlecht, viel diskutiert und wieder verworfen wird, ist sie ohne Zweifel eine bemerkenswerte Frau des Mittelalters, die nicht grundlos zur französischen Nationalheldin wurde.
Artikel erstmals veröffentlicht am 13. März 2014
Tamara Michalke hat den Bachelor of Arts mit dem Hauptfach Geschichte und dem Nebenfach Germanistik an der Universität Augsburg im März 2016 abgeschlossen. Während ihres Studiums legte sie den Schwerpunkt auf die Mittelalterliche Geschichte, aber auch auf Aspekte der Neueren und Neuesten Geschichte.
Literatur und Auswahlbibliografie:
- Duby, Georges und Andrée: Die Prozesse der Jeanne d’Arc. 1985.
- Hobbins, Daniel: The Trial of Joan Arc. 2005.
- Krumeich, Gerd: Jeanne d’Arc. Die Geschichte der Jungfrau von Orleans. 2006.
- Nette, Herbert: Jeanne d’Arc. 1977.
- Pernoud, Régine [u.a.]: Johanna von Orléans. Der Mensch und die Legende. 1991.
- Prietzel, Malte: Jeanne d’Arc. Das Leben einer Legende. 2011.
- Sackville-West: Jeanne d’Arc. Die Jungfrau von Orléans. 1992.
- Tanz, Sabine: Jeanne d’Arc. Spätmittelalterliche Mentalität im Spiegel eines Weltbildes. 1991.
- Taylor, Larissa: The Virgin Warrior. The Life and Death of Joan of Arc. 2009.
- Thomas, Heinz: Jeanne d’Arc. Jungfrau und Tochter Gottes. 2000.
- Fried, Johannes [u.a.]: Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends. 2011